Montag, 13. April 2015

Floating Village – Leben auf Südostasiens größtem See

Eine weitere Besonderheit nahe Siem Reap, die wir uns nicht entgehen lassen wollten waren die sogenannten Floating Villages, die schwimmenden Dörfer. Wir ließen uns also von Kah, unserem TukTuk-Fahrer an den Tonle Sap-See fahren, der etwa 15km von Siem Reap entfernt ist.

Tonle Sap See
Der Tonle Sap ist Südostasiens größter See, zumindest während der Regenzeit, und eines der fischreichsten Binnengewässer der Erde. In der Regenzeit zwischen Mai und Ende Oktober schwillt der Tonle Sap in Kambodscha alljährlich extrem an. Lustigerweise bekamen wir unterschiedlichste Zahlen über die Ausmaße des Sees zu hören. Egal wen wir fragten oder wo wir nachlasen, jedes Mal bekamen wir andere Ergebnisse. Dadurch, dass der See sich natürlich auch nicht jedes Jahr gleich entwickelt, sondern abhängig von der Niederschlagsmenge in der Regenzeit größer wird, verändern sich eben auch die Zahlen. Ganz klar ist aber, dass dieser See enorme Ausmaße annehmen kann. Dies liegt unter anderem daran, dass Kambodscha ein sehr flaches Land ist und sich das Wasser so extrem ausbreiten kann.
Während der See in der Trockenzeit eine Fläche von lediglich ca. 2.000 km² hat, vervielfacht sich seine Größe in der Monsunzeit auf etwa 12.000 bis 14.000 km². Grund: Die Niederschläge in der Monsunzeit und das Schmelzwasser aus den umliegenden Gebirgen lassen den Wasserstand des Mekong gewaltig ansteigen. Durch den erhöhten Wasserdruck ändert sich die Fließrichtung des Tonle Sap Flusses, und zwar genau in die entgegengesetzte Richtung. Damit speist in der Regenzeit der Fluss den See und nicht umgekehrt wie in der Trockenzeit. Infolgedessen werden um die 10.000 km² der umliegenden Gebiete am Tonle Sap Jahr für Jahr überschwemmt.


Die Änderung der Fließrichtung des Tonle Sap Flusses ist einzigartig und gleichzeitig überlebenswichtig für die Bewohner der Region.
Seit Jahrhunderten sind Fischfang und Reisanbau die wesentlichen Wirtschaftszweige der ländlichen Bevölkerung Kambodschas. Außerdem sind Reis und Fisch auch die Haupt­bestandteile der Küche der Khmer. Beides wird vom jährlichen Rhythmus des Tonle Sap geprägt. Daneben garantieren die Überschwemmungen des Sees und der angrenzenden Flüsse die regelmäßige Düngung bzw. Bewässerung der ebenso wichtigen Reisproduktion für die Bevölkerung des Landes. Dieses Phänomen wird derzeit sowohl durch die bereits stattfindende starke Überfischung und den Bau von Staudämmen in Gefahr gebracht.


Genau dorthin und zu den sogenannten „schwimmenden Dörfern“ wollten wir also. Es gab zwar jede Menge vorgefertigte Touren, aber wir entschieden uns lieber auf eigene Faust mit TukTuk loszuziehen und vor Ort den Preis für eine Bootsfahrt zu verhandeln. Es war nicht viel los und so bekamen wir zu dritt ein Boot samt Fahrer. Günstig war das leider nicht, aber auf unseren Vorschlag, wir würden uns auch ein Boot mit anderen Touristen teilen, wollten sie sich nicht einlassen und verlangten immer denselben Preis – unverhandelbare 10$ pro Person… egal wie viele Leute in einem Boot wären.


Gas, Bremse und Lenkrad eines Boots
Das Boot war mit einer Art Rasenmähermotor ausgestattet und verfügte über Brems- und Gaspedal, sowie ein Autolenkrad. Sah lustig aus und war deutlich flotter als wir erwartet hätten. Unser junger Kapitän fuhr also mit uns durch einen Kanal hinaus auf den See. Zu Beginn gab es an der einen Seite noch eine Art Weg, der irgendwann einfach im Wasser endete. Überall entlang dieses Kanals gab es Kühe zu sehen, viele sahen sehr dünn aus, obwohl rundherum eigentlich alles sehr grün und bewachsen war. Schon jetzt war erkennbar, dass sich der Tonle Sap über eine enorme Fläche erstreckt. Wir waren dort kurz nach Ende der Regenzeit, die in diesem Jahr aber anscheinend viel zu trocken ausgefallen war. Dennoch musste man bereits einige Zeit durch Kanäle hinaus fahren. Büsche ragten aus dem Wasser und ließen erkennen, dass sich nach Rückgang des Wasserspiegels kein Wasser mehr hier befinden würde.

Magere Kühe

Nach einiger Zeit sahen wir die ersten Häuser. Genau genommen schwimmen nur einige der Häuser, vor allem aber die Fischfarmen, in denen Fische gezüchtet und gefüttert werden. Die meisten Häuser sind auf bis zu 10m hohen Stelzen errichtet. Daran lässt sich auch die aktuelle Wassertiefe des Sees erkennen. Viele der Bauten sind bunt bemalt, aus Holz und Bambus oder anderen natürlichen Materialien und in ganz unterschiedlichem Zustand. Manche wirken nicht allzu vertrauenserweckend ;) Insgesamt sieht es aber nach einem fröhlichen, bunten Treiben auf dem Wasser aus.

Leben auf dem Wasser


Das gesamte Leben findet auf dem Wasser statt. Für die Menschen ist das ganz normal und schon die Kleinsten paddeln mit ihren Booten zur Schule, zu Nachbarn oder zum schwim­menden Markt. Natürlich wissen auch die Bewohner dieser Dörfer wie man Geld mit Touristen verdient und so bieten viele Souvenirs und Snacks an und kommen mit ihren Booten angepaddelt, sobald sie einen entdecken.




Mit den größeren Booten gibt es keinen Zugang zum Dorf und so wurden wir am Rand des Dorfes in einem schwimmenden Restaurant abgesetzt. Natürlich sollten wir dort etwa trinken, bestenfalls sogar essen.
Für einen Aufpreis könnten wir nun auch mit einem kleineren Boot ins Dorf hineinfahren, teilte uns ein schleimig aussehender Khmer in Uniform mit. 10 Dollar wollte er dafür – wir handelten ihn auf 3 runter und wurden anschließend also in ein kleines Boot verfrachtet. Dieses sah aus wie eine Art Einbaum. Eine Frau paddelte uns nun mitten durch das Dorf. Irgendwie auch ein komisches Gefühl bei den dort lebenden Menschen quasi mitten durchs Wohnzimmer zu fahren. Da wir uns recht sicher waren, dass die Frau von diesem Geldeintreiber nicht viel Geld für ihre Arbeit bekommen würde, gaben wir ihr vorsorglich schon unterwegs ein Trinkgeld und kauften ihr ein Getränk.






Man „betritt“ eine ganze andere Welt, eine Welt fernab von Hektik und Stress. Der sich im Jahresrhythmus ändernde Wasserspiegel zwingt die Menschen zu quasi amphibischer Anpassung. Traditionelles Leben und das ruhige Plätschern der entgegenkommenden Boote bestimmen das Bild und machen die Stille noch greifbarer. Hier wird gespült, dort gewaschen, hier gekocht, während manche Männer in irgendeiner Hängematte leise hin und her schwingen oder fürs Fischen auf den See hinausgefahren sind – alles ist offen und einsehbar. Kinder spielen und während sich unsereins Sorgen macht, es könne ins Wasser fallen, ist es für die Bewohner völlig normal.
Wo man vorbeikommt – einfaches, genügsames und vor allem äußerst armes Leben in den offenen Booten oder deren Veranden. Manche der Häuser wirken zwar sehr ärmlich, andere hingegen haben sogar Strom und Fernseher, die über Autobatterien und ähnliches betrieben werden. Auch hier zeigt sich schon die Kontroverse des traditionellen und des modernen Lebens.

Einbaum-ähnliche Boote

Schon die kleinsten sind allein auf dem Wasser unterwegs

Über eine halbe Stunde paddelte uns unsere fleißige Paddlerin durch das Dorf und darüber hinaus durch den sogenannten „Floating Forest“, den schwimmenden Wald. Dieser schwimmt natürlich erst recht nicht wirklich, aber sämtliche Bäume stehen eben komplett im Wasser. Wir hörten viele Vögel singen und genossen die entspannte Atmosphäre und den kühlenden Halbschatten zwischen den Bäumen und Mangroven.


Floating Forest
Floating Forest
Nach diesem Einblick in das Dorfleben wurden wir zurück zum schwimmenden Restaurant gepaddelt, wo unser Kapitän schon auf uns wartete. Nun ging es hinaus auf den See… „gigantisch“ trifft es wohl am besten. Hätten wir nicht gewusst wo wir uns befinden, hätte man uns sicher auch davon überzeugen können auf dem offenen Meer zu sein. Wohin man schaut nur Wasser. Kein Ufer mehr zu sehen, nur noch Wasser bis zum Horizont. Nach einigen Fotos und einem Gespräch mit einer Snackverkäuferin, die mit ihrem Boot herangekommen war ging es zurück. Wir hatten uns zwar überlegt schwimmen zu gehen, bei Überlegungen war es dann aber auch geblieben.

Wasser soweit das Auge reicht
Mitten auf dem Tonle Sap See

Einen Einblick in das Leben auf dem See zu bekommen war sehr interessant, wobei sich sicher auch hier mit Eintreffen der Touristen einiges geändert hat. Das traditionelle Leben findet zwar noch statt, dennoch ist offensichtlich, dass sich viele auf den Tourismus und die damit verbundenen neuen Einkommensquellen eingestellt haben. Die meisten Erwachsenen, die einem nicht gerade etwas verkaufen wollten, ignorierten einen eher, während die Kinder neugieriger waren und uns winkend und lachend begegneten.
Für uns hatte sich dieser Ausflug wirklich gelohnt. Hatten wir zuvor sehr viel über negative Erlebnisse gelesen, bei denen Touristen in „Fallen“ gelockt, abgezockt und sogar bedroht worden sein sollten, so hatten wir wohl Glück gehabt. Uns war nichts dergleichen passiert. Klar hatten wir ein paar Dollar mehr bezahlt als wir eigentlich wollten, aber wir wurden nie bedrängt oder unfreundlich behandelt.

Windschief?! ;)



Nach zwei Wochen in Siem Reap und insgesamt vier Wochen in Kambodscha sollte es für Manu und mich nun weiter nach Vietnam gehen. Michl hatte uns ja in Richtung Thailand verlassen und wir hatten uns bereits in Phnom Penh um ein Visum gekümmert. Vietnam ist eines der wenigen Länder, bei denen man kein „Visa on Arrival“, also bei Einreise bekommt, sondern es im Vorfeld beantragen muss. So hatten wir für je 60$ unser Visum beantragt und genehmigt bekommen.
Einziger „Fehler“… als wir das Visum beantragten wussten wir noch nicht, wann wir genau nach Vietnam einreisen wollten. Auf Nachfrage wurden wir von den Beamten darüber informiert, dass zwar ein Datum eingetragen, aber anschließend jederzeit geändert werden könnte. Dumm nur, dass sie vergessen hatten uns darauf aufmerksam zu machen, dass eine Verschiebung nach hinten, also eine spätere Einreise problemlos, eine frühere Einreise aber nicht möglich ist ;) so mussten wir ohnehin noch bis zum 15. warten, da wir eben dieses Datum eingetragen hatten. Störte uns letztendlich zum Glück wenig, weil es uns in Siem Reap so gut gefiel und wir dort sowieso ein bisschen „verhockt“ waren.

Im nächsten Eintrag berichten wir euch dann von unserer etwas chaotischen Grenz­überquerung und ersten Erlebnissen in Saigon, Vietnam…