Eine weitere Besonderheit nahe
Siem Reap, die wir uns nicht entgehen lassen wollten waren die sogenannten
Floating Villages, die schwimmenden Dörfer. Wir ließen uns also von Kah,
unserem TukTuk-Fahrer an den Tonle Sap-See fahren, der etwa 15km von Siem Reap
entfernt ist.
Tonle Sap See |
Der Tonle Sap ist Südostasiens
größter See, zumindest während der Regenzeit, und eines der fischreichsten
Binnengewässer der Erde. In der Regenzeit zwischen Mai und Ende Oktober
schwillt der Tonle Sap in Kambodscha alljährlich extrem an. Lustigerweise
bekamen wir unterschiedlichste Zahlen über die Ausmaße des Sees zu hören. Egal
wen wir fragten oder wo wir nachlasen, jedes Mal bekamen wir andere Ergebnisse.
Dadurch, dass der See sich natürlich auch nicht jedes Jahr gleich entwickelt,
sondern abhängig von der Niederschlagsmenge in der Regenzeit größer wird,
verändern sich eben auch die Zahlen. Ganz klar ist aber, dass dieser See enorme
Ausmaße annehmen kann. Dies liegt unter anderem daran, dass Kambodscha ein sehr
flaches Land ist und sich das Wasser so extrem ausbreiten kann.
Während der See in der
Trockenzeit eine Fläche von lediglich ca. 2.000 km² hat, vervielfacht sich
seine Größe in der Monsunzeit auf etwa 12.000 bis 14.000 km². Grund: Die
Niederschläge in der Monsunzeit und das Schmelzwasser aus den umliegenden
Gebirgen lassen den Wasserstand des Mekong gewaltig ansteigen. Durch den
erhöhten Wasserdruck ändert sich die Fließrichtung des Tonle Sap Flusses, und
zwar genau in die entgegengesetzte Richtung. Damit speist in der Regenzeit der
Fluss den See und nicht umgekehrt wie in der Trockenzeit. Infolgedessen werden
um die 10.000 km² der umliegenden Gebiete am Tonle Sap Jahr für Jahr
überschwemmt.
Die Änderung der Fließrichtung
des Tonle Sap Flusses ist einzigartig und gleichzeitig überlebenswichtig für
die Bewohner der Region.
Seit Jahrhunderten sind Fischfang
und Reisanbau die wesentlichen Wirtschaftszweige der ländlichen Bevölkerung
Kambodschas. Außerdem sind Reis und Fisch auch die Hauptbestandteile der Küche
der Khmer. Beides wird vom jährlichen Rhythmus des Tonle Sap geprägt. Daneben
garantieren die Überschwemmungen des Sees und der angrenzenden Flüsse die
regelmäßige Düngung bzw. Bewässerung der ebenso wichtigen Reisproduktion für
die Bevölkerung des Landes. Dieses Phänomen wird derzeit sowohl durch die
bereits stattfindende starke Überfischung und den Bau von Staudämmen in Gefahr
gebracht.
Genau dorthin und zu den
sogenannten „schwimmenden Dörfern“ wollten wir also. Es gab zwar jede Menge
vorgefertigte Touren, aber wir entschieden uns lieber auf eigene Faust mit
TukTuk loszuziehen und vor Ort den Preis für eine Bootsfahrt zu verhandeln. Es war
nicht viel los und so bekamen wir zu dritt ein Boot samt Fahrer. Günstig war das
leider nicht, aber auf unseren Vorschlag, wir würden uns auch ein Boot mit
anderen Touristen teilen, wollten sie sich nicht einlassen und verlangten immer
denselben Preis – unverhandelbare 10$ pro Person… egal wie viele Leute in einem
Boot wären.
Gas, Bremse und Lenkrad eines Boots |
Das Boot war mit einer Art
Rasenmähermotor ausgestattet und verfügte über Brems- und Gaspedal, sowie ein
Autolenkrad. Sah lustig aus und war deutlich flotter als wir erwartet hätten. Unser
junger Kapitän fuhr also mit uns durch einen Kanal hinaus auf den See. Zu Beginn gab es an der einen Seite noch eine Art Weg, der irgendwann einfach im Wasser endete. Überall entlang dieses Kanals gab es Kühe zu sehen, viele sahen sehr dünn aus, obwohl rundherum eigentlich alles sehr grün und bewachsen war. Schon jetzt
war erkennbar, dass sich der Tonle Sap über eine enorme Fläche erstreckt. Wir waren
dort kurz nach Ende der Regenzeit, die in diesem Jahr aber anscheinend viel zu
trocken ausgefallen war. Dennoch musste man bereits einige Zeit durch Kanäle
hinaus fahren. Büsche ragten aus dem Wasser und ließen erkennen, dass sich nach
Rückgang des Wasserspiegels kein Wasser mehr hier befinden würde.
Magere Kühe |
Nach einiger Zeit sahen wir die
ersten Häuser. Genau genommen schwimmen nur einige der Häuser, vor allem aber
die Fischfarmen, in denen Fische gezüchtet und gefüttert werden. Die meisten Häuser
sind auf bis zu 10m hohen Stelzen errichtet. Daran lässt sich auch die aktuelle
Wassertiefe des Sees erkennen. Viele der Bauten sind bunt bemalt, aus Holz und Bambus oder anderen natürlichen Materialien und in ganz unterschiedlichem Zustand. Manche wirken nicht allzu vertrauenserweckend ;) Insgesamt sieht es aber nach einem fröhlichen, bunten Treiben auf dem Wasser aus.
Leben auf dem Wasser |
Das gesamte Leben findet auf dem
Wasser statt. Für die Menschen ist das ganz normal und schon die Kleinsten
paddeln mit ihren Booten zur Schule, zu Nachbarn oder zum schwimmenden Markt. Natürlich
wissen auch die Bewohner dieser Dörfer wie man Geld mit Touristen verdient und
so bieten viele Souvenirs und Snacks an und kommen mit ihren Booten angepaddelt,
sobald sie einen entdecken.
Mit den größeren Booten gibt es
keinen Zugang zum Dorf und so wurden wir am Rand des Dorfes in einem
schwimmenden Restaurant abgesetzt. Natürlich sollten wir dort etwa trinken,
bestenfalls sogar essen.
Für einen Aufpreis könnten wir
nun auch mit einem kleineren Boot ins Dorf hineinfahren, teilte uns ein
schleimig aussehender Khmer in Uniform mit. 10 Dollar wollte er dafür – wir handelten
ihn auf 3 runter und wurden anschließend also in ein kleines Boot verfrachtet. Dieses
sah aus wie eine Art Einbaum. Eine Frau paddelte uns nun mitten durch das Dorf.
Irgendwie auch ein komisches Gefühl bei den dort lebenden Menschen quasi mitten
durchs Wohnzimmer zu fahren. Da wir uns recht sicher waren, dass die Frau von
diesem Geldeintreiber nicht viel Geld für ihre Arbeit bekommen würde, gaben wir
ihr vorsorglich schon unterwegs ein Trinkgeld und kauften ihr ein Getränk.
Man „betritt“ eine ganze andere
Welt, eine Welt fernab von Hektik und Stress. Der sich im Jahresrhythmus
ändernde Wasserspiegel zwingt die Menschen zu quasi amphibischer Anpassung. Traditionelles
Leben und das ruhige Plätschern der entgegenkommenden Boote bestimmen das Bild
und machen die Stille noch greifbarer. Hier wird gespült, dort gewaschen, hier
gekocht, während manche Männer in irgendeiner Hängematte leise hin und her
schwingen oder fürs Fischen auf den See hinausgefahren sind – alles ist offen
und einsehbar. Kinder spielen und während sich unsereins Sorgen macht, es könne
ins Wasser fallen, ist es für die Bewohner völlig normal.
Wo man vorbeikommt – einfaches,
genügsames und vor allem äußerst armes Leben in den offenen Booten oder deren
Veranden. Manche der Häuser wirken zwar sehr ärmlich, andere hingegen haben
sogar Strom und Fernseher, die über Autobatterien und ähnliches betrieben
werden. Auch hier zeigt sich schon die Kontroverse des traditionellen und des
modernen Lebens.
Einbaum-ähnliche Boote |
Schon die kleinsten sind allein auf dem Wasser unterwegs |
Über eine halbe Stunde paddelte
uns unsere fleißige Paddlerin durch das Dorf und darüber hinaus durch den
sogenannten „Floating Forest“, den schwimmenden Wald. Dieser schwimmt natürlich
erst recht nicht wirklich, aber sämtliche Bäume stehen eben komplett im Wasser.
Wir hörten viele Vögel singen und genossen die entspannte Atmosphäre und den kühlenden
Halbschatten zwischen den Bäumen und Mangroven.
Floating Forest |
Floating Forest |
Nach diesem Einblick in das
Dorfleben wurden wir zurück zum schwimmenden Restaurant gepaddelt, wo unser
Kapitän schon auf uns wartete. Nun ging es hinaus auf den See… „gigantisch“
trifft es wohl am besten. Hätten wir nicht gewusst wo wir uns befinden, hätte
man uns sicher auch davon überzeugen können auf dem offenen Meer zu sein. Wohin
man schaut nur Wasser. Kein Ufer mehr zu sehen, nur noch Wasser bis zum
Horizont. Nach einigen Fotos und einem Gespräch mit einer Snackverkäuferin, die
mit ihrem Boot herangekommen war ging es zurück. Wir hatten uns zwar überlegt
schwimmen zu gehen, bei Überlegungen war es dann aber auch geblieben.
Wasser soweit das Auge reicht |
Mitten auf dem Tonle Sap See |
Einen Einblick in das Leben auf
dem See zu bekommen war sehr interessant, wobei sich sicher auch hier mit
Eintreffen der Touristen einiges geändert hat. Das traditionelle Leben findet
zwar noch statt, dennoch ist offensichtlich, dass sich viele auf den Tourismus
und die damit verbundenen neuen Einkommensquellen eingestellt haben. Die meisten
Erwachsenen, die einem nicht gerade etwas verkaufen wollten, ignorierten einen
eher, während die Kinder neugieriger waren und uns winkend und lachend
begegneten.
Für uns hatte sich dieser Ausflug
wirklich gelohnt. Hatten wir zuvor sehr viel über negative Erlebnisse gelesen,
bei denen Touristen in „Fallen“ gelockt, abgezockt und sogar bedroht worden
sein sollten, so hatten wir wohl Glück gehabt. Uns war nichts dergleichen
passiert. Klar hatten wir ein paar Dollar mehr bezahlt als wir eigentlich
wollten, aber wir wurden nie bedrängt oder unfreundlich behandelt.
Windschief?! ;) |
Nach zwei Wochen in Siem Reap und
insgesamt vier Wochen in Kambodscha sollte es für Manu und mich nun weiter nach
Vietnam gehen. Michl hatte uns ja in Richtung Thailand verlassen und wir hatten
uns bereits in Phnom Penh um ein Visum gekümmert. Vietnam ist eines der wenigen
Länder, bei denen man kein „Visa on Arrival“, also bei Einreise bekommt,
sondern es im Vorfeld beantragen muss. So hatten wir für je 60$ unser Visum
beantragt und genehmigt bekommen.
Einziger „Fehler“… als wir das
Visum beantragten wussten wir noch nicht, wann wir genau nach Vietnam einreisen
wollten. Auf Nachfrage wurden wir von den Beamten darüber informiert, dass zwar
ein Datum eingetragen, aber anschließend jederzeit geändert werden könnte. Dumm
nur, dass sie vergessen hatten uns darauf aufmerksam zu machen, dass eine Verschiebung
nach hinten, also eine spätere Einreise problemlos, eine frühere Einreise aber
nicht möglich ist ;) so mussten wir ohnehin noch bis zum 15. warten, da wir
eben dieses Datum eingetragen hatten. Störte uns letztendlich zum Glück wenig,
weil es uns in Siem Reap so gut gefiel und wir dort sowieso ein bisschen „verhockt“
waren.
Im nächsten Eintrag berichten wir
euch dann von unserer etwas chaotischen Grenzüberquerung und ersten
Erlebnissen in Saigon, Vietnam…