Die Visumsformalitäten am
Flughafen waren schnell erledigt und schon hatten wir das „Visa on Arrival“ in
unseren Reisepässen. Stempel drauf, Gepäck geholt und raus hier. Kambodscha
empfing uns mit Hitze. Obwohl es bereits später Nachmittag war hatte es sicher
noch um die 34°C. Michl, dessen Flug zwei Stunden vor unserem angekommen war,
wartete schon auf uns.
Standesgemäß fuhren wir mit
unserem ersten TukTuk in die Stadt zu unserer Unterkunft. Diese TukTuks sehen
zwar etwas anders aus wie die, die man aus Thailand kennt, sind aber nicht
weniger praktisch. Viel billiger als Taxis, kleiner, wendiger und dadurch im
chaotischen Stadtverkehr oft auch schneller, sind sie die ideale Alternative.
Im kambodschanischen TukTuk |
Für die nächsten Tage hatten wir
bereits einen groben Plan an Sehenwürdigkeiten, die wir besuchen wollten. Alles
Weitere würde sich schon ergeben.
Schon am nächsten Tag starteten
wir unsere erste Erkundungstour. Wir verhandelten einen Tagespreis mit einem
TukTuk-Fahrer namens Mali, mit dem wir auch die nächsten Tage noch unterwegs
sein würden und schon ging es los zu den ersten beiden Zielen: das S 21
Genozid-Gefängnis und –museum und Choeung Ek, eines der sogenannten Killing
Fields, das ein gutes Stück außerhalb des Stadtzentrums von Phnom Penh liegt. So hatten wir quasi auf dem Weg dorthin schon eine erste „Stadtrundfahrt“. Es
war faszinierend, teilweise aber auch ein bisschen schockierend zu sehen wie
die Menschen dort leben und wie viel Müll herumliegt.
In einer Stadt wie Phnom Penh
gibt es alles, von wahren Prachtbauten bis hin zu Holz- oder
Wellblechverschlägen, die man schwer als Hütten bezeichnen kann. Von den Slums
dieser Art hält man sich aber im Dunkeln am besten fern, wurden wir informiert.
Kinder spielen auf der Straße, Straßenstände und –verkäufer überall, ebenso wie
die obligatorischen Roller. Erstaunlich war, wie viele teure Autos auf den
Straßen zu sehen sind. Schon am ersten richtigen Tag in Kambodscha wurde uns
hiermit in Ansätzen die Schere zwischen arm und reich bewusst, die in diesem
Land und speziell in der Hauptstadt herrscht. Besonders auffällig ist auch die
interessante Kabelverlegung. Seht selbst! ;)
TukTuk |
Wir wissen natürlich nicht, wie
viel ihr alle über die Geschichte Kambodschas wisst, wir wussten eindeutig zu
wenig. In manchen Punkten sind sogar Parallelen zur deutschen Geschichte
erkennbar. Deshalb hier der Versuch einer kurzen Zusammenfassung nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne komplette Garantie auf Richtigkeit.
Zwischen 1975 und 1979, also noch
gar nicht lange her, war das Regime der „Roten Khmer“ unter Pol Pot an der
Macht. Pol Pot hatte, ermöglicht durch ein Stipendium, in Frankreich studiert
und war bereits in jungen Jahren Anhänger kommunistischer Ideen. Verantwortlich
für die Armut in Kambodscha war für ihn der Unterschied zwischen Stadt und
Land. Das ländliche empfand er als positiv, während das städtische für ihn als
das negative Gegenstück galt. Ziel seines Regimes war die Vormachtstellung des
Bauernvolkes.
Innerhalb weniger Tage nach
Einmarsch seiner Truppen waren Phnom Penh und viele andere Städte menschenleer.
Die Einwohner wurden gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Schon bei dieser
Vertreibung starben viele Kinder und ältere Menschen.
Gebäude des S 21 Tuol Sleng Gefängnis, das vor dem Roten Khmer-Regime eine Schule war |
In dieser Zeit starben insgesamt mehr
als 3 Millionen Menschen. Unfassbar, bei einer damaligen Bevölkerungszahl von
nur knapp über 8 Millionen. Pol Pot ließ das eigene Volk töten und grausam
hinrichten. Sterben musste wer nicht zum einfachen Bauernvolk gehörte, also
jeder der gebildet war, da die Roten Khmer in diesen Bevölkerungsgruppen Feinde
des Regimes sah. Professoren, Lehrer, Studierte, Ärzte, ebenso wie Anwälte oder
Musiker… es reichte aber auch schon lesen zu können, eine Fremdsprache zu
sprechen oder eine Brille zu tragen. Wer eines dieser Kriterien erfüllte wurde
verhaftet, verhört und letztendlich getötet.
Eine der großen Zellen im Tuol Sleng Gefängnis |
Inhaftierte kamen in das „Tuol
Sleng S21 Gefängnis“, das heute besichtigt werden kann und inzwischen ein
Museum und eine Gedenkstätte beherbergt.
Dort wurden die Menschen eingesperrt,
verhört und stundenlang gefoltert. Meist wurde die gesamte Familie inhaftiert,
um spätere Racheakte vermeiden zu können. Je nach Trakt befinden sich in
manchen Zellen Betten, in anderen Räumen wurden Mauern hochgezogen, um weitere
winzige Zellen zu schaffen. Dort war gerade einmal Platz zum Sitzen.
Eine der kleinen Zellen |
Draußen im
Hof zeigt eine Tafel, welche genauen Vorschriften durch die Roten Khmer
eingehalten werden mussten. Selbst genaue Folterabläufe und Verhöre wurden
aufgezeichnet und sind in einem Raum ausgestellt, zusammen mit Bildern zu den jeweiligen Foltermethoden.
Genaue Vorschriften und zugehörige Strafen |
Folterinstrument - der Galgen und wassergefüllte Töpfe darunter |
Wände voller Fotos zeigen, wer im
S 21 Gefängnis ums Leben kam. Unzählige Kinder sind darunter.
Wir gingen durch die Räume, die
größtenteils noch genauso sind wie sie verlassen wurden. Es reihten sich Gang an Gang, Zelle an Zelle und es war ganz still. Jeder war irgendwie mit seinen Gedanken alleine und mit jedem Schritt
stieg das beklemmende Gefühl.
Wer den Horror im Gefängnis
überlebt hat, wurde nachts auf die Killing Fields gefahren und dort umgebracht.
Das Schild kennzeichnet die Stelle, an der die Opfer angeliefert wurden |
Die Killing Fields sind ein
absolutes Muss für jeden, der Kambodscha besucht. Es gibt über 300 davon im
ganzen Land, das in Phnom Penh ist aber eines der größten und meistbesuchten.
Nur durch einen aufmerksamen Besuch dort lässt sich wirklich ein Einblick in
die schreckliche und bewegende Geschichte des Landes gewinnen.
Wir bezahlten den Eintritt und bekamen einen Audio Guide,
der sich auch auf Deutsch einstellen ließ und starteten den Rundgang. Der Erzähler/Vorleser hatte eine unheimlich mitreißende Art das Geschehene zu vermitteln. Ab hier
ging jeder seiner eigenen Wege. Die Reihenfolge war vorgegeben, man konnte sich
so viele Kapitel anhören wie man wollte. Wir hörten sie uns alle an.
Ausgehobenes Massengrab |
Getötet wurde hauptsächlich
nachts. Die Schreie wurden übertönt vom Knattern der Dieselgeneratoren und von
lauter Musik. Zur Hinrichtung wurde keine Munition benutzt, da diese zu teuer
war und gespart werden sollte. Deshalb nahmen die Roten Khmer Äxte, Messer,
Hammer oder andere Werkzeuge. Viele Menschen waren noch nicht tot, als sie
bereits in die Massengräber gestoßen wurden.
Der Gipfel der Grausamkeit ist
der sogenannte „Killing Tree“. Dort wurden Babys und Kinder getötet, indem man
sie an den Füßen packte und mit dem Kopf gegen den Baumstamm schlug bis sie tot
waren.
All das und noch viel mehr
bewegende Geschichten und Schicksale, manche davon von Zeitzeugen, bekamen wir
über die Kopfhörer des Audio Guides zu hören, während wir langsam von Station
zu Station über die Killing Fields liefen.
Wir sahen mit Gras bewachsene
Mulden im Boden, die einst bis zum Rand gefüllte Massengräber waren und
teilweise noch sind. Bei Regen werden auch heute noch regelmäßig Knochenreste
hochgespült.
Die letzte Station des Rundgangs
ist eine schöne Gedenkstupa, an der jedes Jahr eine Zeremonie gegen das
Vergessen stattfindet. Sie ist ein Mahnmal und eine
Gedenkstätte zu Ehren all derer, die dort grausam hingerichtet wurden.
Gedenkstupa |
Gedenkstupa |
Die
Stupa besitzt sieben Ebenen und ist gefüllt mit Schädeln, die in den
Massengräbern gefunden wurden. Die Ebenen sind beschriftet. Bunte Punkte darauf
geben Auskunft über Geschlecht und Alter des Opfers, sowie das
Hinrichtungswerkzeug und die Art des Todes. Man kann diesen Gedenkort betreten,
sollte aber gewisse Regeln beachten, wie z.B. Schuhe ausziehen, nicht lachen,
niemals Gegenstände berühren oder vorgegebene Wege verlassen.
Unfassbarer Anblick |
Heute ist die Stupa voll. Es werden
deshalb auch keine weiteren Massengräber mehr ausgehoben oder Knochenreste
freigelegt. Die Gräber bleiben verschlossen und den Opfern wird die letzte Ruhe
gewährt.
Bunte Punkte auf den Schädeln geben Auskunft über die Art des Todes |
Um einen herum fliegen
Schmetterlinge, es ist still und absolut friedlich – schwer vorstellbar welche
Grausamkeiten hier stattgefunden haben. Genau dieses surreale daran, dieser
Ort, der heute so komplett anders wirkt, lässt einen selbst nachdenklich werden.
Eine absolut bewegende Erfahrung, die sich schwer in die richtigen Worte fassen
lässt und einen manchmal beinahe zu Tränen rührt. Darüber zu lesen ist eine Sache, selbst an diesem Ort zu stehen, eine ganz andere. Wir wussten, dass Kambodschas
Geschichte eine schreckliche ist, aber darauf waren wir nicht vorbereitet.
Die bunten Bändchen gab es an vielen Stellen - als Zeichen des Respekts und gegen das Vergessen! |
Auf dem Rückweg hing jeder seinen
Gedanken nach. Wir waren froh, uns genauer mit der Geschichte Kambodschas
auseinander gesetzt zu haben. Die Besichtigungen, die wir für den nächsten Tag
geplant hatten, würden sicher fröhlicher werden, aber auch weniger intensiv und
einprägsam.