Ebenso überraschend ist der
Tempel Ta Prohm, der für viele Besucher vermutlich ganz oben auf der Besichtigungsliste
steht. Fast fühlt man sich in alte Zeiten zurückversetzt. Eine stumme, aber
eindrucksvolle Demonstration der Stärke und Beharrlichkeit der Natur, die von
dem mit Eifer geschaffenen Menschenwerk letztendlich wieder Besitz ergreift. Langsam
erobert sich die Natur diesen Tempel zurück und überrascht einen schon nach
wenigen Metern mit einer perfekten Dschungelatmosphäre.
Eingang zum Ta Prohm |
Die Sonne verschafft
sich teilweise nur mühsam einen Weg durch das Wurzel- und Blätterdickicht. Gewaltige
Bäume mit riesigen Wurzeln, die teilweise bereits die dicken Mauern zerstört
haben. Würgefeigen umklammern die Wände und ragen hoch hinaus. An manchen Stellen werden die Wurzeln sogar durch starke Eisenvorrichtungen gehalten, damit sie nicht noch mehr Mauerwerk zerstören können.
Ein wirklich
umwerfender Anblick. Einzig gestört durch die vielen Asiaten, die sich vor
jedem Baum drängten und Selfies oder andere Fotos machten. Es war kaum ein
Durchkommen möglich und so entschieden wir uns gegen ein Foto im bekanntesten
Baum und machten stattdessen eines in diesem Baum. Seht selbst. Macht für mich
keinen Unterschied ;)
Kein Wunder also, dass dieser magische,
baumüberwucherte Tempel als Schauplatz für Lara Croft, alias Angelina Jolie, im
Film „Tomb Raider“ diente. Zwar hatte keiner von uns diesen Film gesehen, sich
die Szenerie vorzustellen war aber keineswegs schwer. Irgendwann demnächst
werden wir uns den Film vielleicht noch anschauen. Mal sehen, ob viel verändert
wurde oder ob man den Schauplatz als solchen tatsächlich wieder erkennt.
Der letzte Tempel, den wir besuchten, befand sich ca.
40km nördlich von Siem Reap. Mit dem TukTuk waren wir also eine ganze Weile
unterwegs. Die Landschaft war aber schön anzusehen und so wurde uns nicht langweilig.
Wirklich schade, dass es TukTuks nicht in Deutschland gibt…
TukTuk-Werkstatt |
Auf dem Hinweg hatten wir dann –
mal wieder – einen Platten. Während Kah, der TukTuk-Fahrer einige Meter zurück
zu einem kleinen Häuschen am Straßenrand fuhr, durften wir hinterher laufen. Zum
Glück bietet nahezu jede Familie in ihrem Haus eine Art Flickservice an, schon
auf der Fahrt hatten wir unzählige winzige, behelfsmäßige Werkstätten gesehen. Unser
TukTuk-Reifen wurde also erneut geflickt und wir warteten. Wie schon beim
ersten Mal wurde auch hier wieder nebenbei eine Flasche Schnaps herumgereicht. Scheint
eine kambodschanische Tradition zu sein ;)
Beim Warten wurden wir erst mehr
als misstrauisch von den vielen Kindern beäugt, die rund um die Hütte im Dreck
spielten. Sie trauten sich nicht näher, wer weiß ob sie jemals so nahe an hellhäutige
Menschen herangekommen waren?! Wir wussten es nicht, begannen aber nach einer
Weile sie aus der Reserve zu locken. Meist versteckten sie sich hinter der
Hüttenwand, schielten daran vorbei und zu uns, woraufhin wir mit einem „Buh“ um
die Ecke sprangen. Die Freude und das Gelächter waren riesig wenn sie davon
rannten. Nach und nach kamen sie immer näher und deuteten auch mehrmals interessiert
auf unsere Kamera.
Die Scheu wurde schnell durch
kindliche Neugier abgelöst und als wir ein erstes Foto von den Kindern machten
und ihnen zeigten war die Verwirrung und Begeisterung groß. Eine ganze Weile
fotografierten wir sie, zeigten ihnen jedes Bild und die Augen waren groß wenn
sie sich auf dem Foto erkannten… auch unsere Sonnenbrillen mussten getragen und
auf Fotos angesehen werden und besonders Manus Haare wurden für interessant befunden
– einmal anfassen bitte ;)
Die Reparaturzeit verging wie im
Flug und wir hatten uns, trotz Sprachbarriere, wunderbar mit den Kindern
verstanden. Hände, Füße und Lachen reichen völlig um sich zu verständigen, auch
wenn man kein einziges Wort in der gleichen Sprache spricht.
Ein Erlebnis, das uns nachhaltig
berührt hat. Diese Kinder hatten nur wenig, zumindest sicher kein Spielzeug, waren
aber trotzdem so unheimlich fröhlich und glücklich…
Spielzeug aus Müll basteln - hier eine Maske. |
Danach fuhren wir weiter zu
unserem eigentlichen Ziel: dem Tempel Banteay Srei, der auch als „Zitadelle der
Frauen“ bezeichnet wird. Dies hat zwei Gründe, zum einen ist er aus rosa
Sandstein gefertigt und über und über mit gut erhaltenen Steinmetzarbeiten
verziert, zum anderen besagt die Khmer-Legende, dass ein solch wunderschönes
Werk nicht von einem Mann geschaffen worden sein kann, sondern den Händen einer
Frau entsprungen sein muss.
Banteay Srei |
Verzierungen in jeder Säule und an jeder Mauer |
Leider ist auch hier teilweise der Verfall erkennbar,
der Sandstein ist häufig nicht mehr rosa, sondern eher schwarz und manche
Mauern wirken nicht mehr ganz stabil. Dennoch sind die in den Stein geschnitzten
Motive noch gut erhalten und wirklich viel feiner und detaillierter als in
irgendeinem der anderen Tempel. Es gibt quasi keine Stelle, die nicht verziert
oder bearbeitet ist. Jede Säule, jeder einzelne Stein zeigt eine enorme Arbeit
und unendliche Geduld. So wirkt der kleine Tempel eher verspielt und durchaus etwas
weiblich.
Hier, abseits der bekannteren
Tempelanlagen, waren wir sogar beinahe allein, was dem Ende der Regenzeit und
den hohen Temperaturen zuzuschreiben ist. Rund um den Tempel wurden wir wieder
einmal von vielen bettelnden Kindern angesprochen. Ein Anblick an den man sich
gewöhnen muss. Meistens gaben wir nichts, weil man mit ein bisschen Geld
ohnehin selten wirklich hilft. Als wir aber ein verkrüppeltes Mädchen am Weg
sitzen sahen, deren Gesicht entweder verbrannt oder mit Säure verätzt war und
die kaum laufen konnte, da ihr ein Bein fehlte, wollten wir doch etwas geben. Das
war die schlechteste Idee des Tages: sofort waren wir von mindestens 25 Kindern
umringt, die uns nicht mehr loslassen wollten. Das behinderte Mädchen war
aufgestanden und wankte uns hinterher. Doch für uns schien es keine andere
Lösung als verschwinden zu geben. So viele bettelnde, jammernde Kinder und das
arme Mädchen waren zu viel für uns. Michl war der erste der die Kurve kratzte,
Manu und ich folgten gleich darauf. Es tat uns leid, wollten wir dem Mädchen
doch helfen, aber mit so viel Leid, aufdringlichem Verfolgen und sogar
Festhalten konnten wir nicht umgehen und verließen die Tempelanlage
schnellstmöglich ohne ihr etwas geben zu können. Erst im TukTuk fühlten wir uns
wieder sicher. Ein wirklich übler Moment, der uns mit einem komischen Gefühl
zurückließ.
Irgendwann wars dann doch soweit…
meine beiden männlichen Begleiter hatten genug von den ganzen Tempeln, Türmchen,
Steinen und Mauern. So schön sie sind, irgendwann sieht dann doch jeder gleich
aus. Und ich kann mich wirklich nicht beschweren, da wir drei Tage volles
Tempel-Programm durchgezogen haben und sich die beiden nur ganz selten mal
beschwert haben. Tja, und auch ich muss zugeben... irgendwann reichts wirklich wieder mit den ganzen Tempeln ;)
Vermutlich hatten wir während
unseres Besuchs sogar noch Glück mit den Besucherzahlen. Wir mussten selten warten,
die Menschenmassen hielten sich in Grenzen, wenn sie auch durchaus erkennbar
waren und es wuselte nicht ganz so sehr. Wir waren eben auch zur Nebensaison
dort. Direkt nach der Regenzeit, die allerdings in diesem Jahr so gut wie
ausgefallen war und bei hohen Temperaturen. Aber eins ist sicher: zur
Hochsaison hat man keine Ruhe mehr zwischen den Tempeln. Man wird durch
geschoben und das schadet auch den Tempelanlagen. 2013 besuchten z.B. mehr als
zwei Millionen Menschen die Sehenswürdigkeit. Die steinernen Anlagen bröckeln
vor sich hin, überall wächst Moos und Schimmel. Teilweise haben sich auch schon
Besucher durch Graffitis an den Wänden verewigt. Für uns absolut unvorstellbar,
wie man ein Bauwerk von solcher Größe und Geschichtsträchtigkeit einfach
beschmutzen kann. An manchen Tempeln gibt es Baustellen, es wird versucht etwas
von dem einstigen Charme zu retten, aber die Bauarbeiter kommen nicht
hinterher. Es scheint, als zerfalle das Bauwerk schneller, als es repariert
werden kann.
Um in Angkor Wat noch einen Ort
des Friedens, der Ruhe und der Spiritualität zu sehen, muss man schon viel
Fantasie mitbringen. Es muss aber einmal ein überwältigender, vermutlich
magischer und atemberaubend schöner Ort gewesen sein. Dennoch hat Angkor Wat uns
auch heute noch fasziniert. Immer noch sind die Kleinigkeiten, die Liebe zum
Detail und die einzigartige Vielfalt an Tempelbauten erkennbar und müssen mit
allen Mitteln erhalten werden...
Ein Zitat (http://www.wissen.de/video/kambodscha-die-tempelanlagen-angkor-wat),
das ich zufällig gefunden habe, passt wunderbar:
„Die Tempel von Angkor sind das Vermächtnis der Khmer-Zivilisation an
die Welt. Wenn man etwas lernen kann an diesem historischen Ort, dann ist es
Demut: Vor der Größe menschlichen Schaffens, aber auch vor seiner
Vergänglichkeit.“