Dienstag, 24. Juni 2014

Patumahoe Teil 3 – wir genießen die kiwifreie Zeit ;)

Wir haben nun wirklich mehr als genug vom Arbeiten erzählt. Gerade, weil die Arbeit sehr monoton ist, man selten sein Gehirn anstrengen muss und trotzdem beinahe dauernd unter Druck ist, um die erwartete Effizienz von mindestens 120% zu erreichen, braucht man in der Freizeit und an den Wochenenden Zeit zum Entspannen und Nichtstun. Das haben wir ausgiebigst getan. Noch wichtiger ist aber die Ablenkung durch Unternehmungen und Spaß mit lustigen Leuten zu haben. Das hatte unsere kiwifreie Zeit zu bieten. In den ersten Wochen nahm diese allerdings einen eher kleineren Anteil ein. Wir arbeiteten 6 Tage die Woche. Der eine Tag der uns blieb wurde meistens zum Entspannen und Ausschlafen genutzt oder um Sachen zu erledigen, die ansonsten auf der Strecke geblieben sind.
Seit einiger Zeit arbeiten wir nun nur noch 5 Tage, haben also tatsächlich ein gesamtes Wochenende frei.

Egal wie viel Arbeit es gab, die freie Zeit wollte genutzt werden.
Oft wurde sie vor allem mit gemeinsamen Abenden, also mit Kochen, Essen, Trinken und Unterhaltungen gefüllt.

Einen Abend besuchten wir Vicky und Richard in Waiuku. Dort hatten sie aus einer Feuerstelle eine Art Pizzaofen gebastelt, der natürlich ausprobiert werden wollte. Jeder brachte Zutaten zum Belegen mit und Richard hatte einen richtig guten Teig vorbereitet.
Wir waren eine nette Runde an diesem Abend, auch Annett und Christian, Nicole und Bastian (Deutschland), Marion und Francisco (Frankreich/Argentinien) und Emily (England), sowie Ornella und Julien (Frankreich) waren mit von der Partie.
Dann wurde eifrig losgelegt und wir zauberten die tollsten Pizzas (oder auch Pizzen?). Bald hatte sich eine Arbeitsteilung gefunden. Mädels rollen den Teig aus und belegen, Jungs kümmern sich ums Backen, mit Feuer spielen und aufpassen, dass die Pizza nicht verbrennt. Mit vollem Erfolg. Seht selbst! ;)

...wer macht den schönsten Pizza-Boden? ;)
Richard, Vicky und Christian
Satt und dick und kugelrund
Am darauffolgenden Wochenende hieß es dann „Kochkurs bei Manu – wie bereite ich einen Schweinebraten mit Speckbohnen, Spätzle und Semmelknödel zu“. Richard wollte schon immer einmal lernen wie man dieses typisch bayrische Gericht zubereitet und Manu war natürlich gerne bereit da auszuhelfen ;)

Kochkurs
Küchenhilfe Vicky
Mirepoix - gehört unter den Schweinebraten ;)

So kamen letztendlich auch Vicky und ich, Annett und Christian und Emeline in den Genuss. Natürlich halfen wir auch ein bisschen beim Kochen. Die meiste Zeit sollten wir aber lieber nicht stören und hübsch aussehen. Kein Problem für uns, blieb doch mehr Zeit um sich zu unterhalten und darin sind wir doch Profis…
Wie schon bei der Pizza konnte sich auch dieses Ergebnis mehr als sehen lassen. Wir haben uns beinahe wie zuhause gefühlt.

Highlight - der Probierknödel

Ein Traum!!
Doch so einige Samstagabende verbrachten wir in Kingseat. Dort wohnten mit 13 Bewohnern die meisten von uns Backpackern. Kingseat ist eine frühere Psychiatrie. Den vielen, oft grusligen Geschichten zufolge wurden die Patienten dort nicht sonderlich gut behandelt, teilweise sogar gequält, weshalb die Gebäude als „most haunted place in New Zealand“ (verspuktester/verfolgtester Ort Neuseelands) bezeichnet werden. Selbst Geisterjäger hatten schon ihr Glück dort versucht.

Annett, Sarha und Claudi
Die meisten der Gebäude sind inzwischen bewohnt. Sie können ausgebaut werden und sind in Relation zur Größe sehr günstige Wohnflächen. Solange man die grausigen Hintergründe und den Krankenhaus-Stil ausblenden kann. Der zweite Stock eines der vielen Gebäude, Villa 14, wird also jedes Jahr von Punchbowl genutzt um Backpacker dort unterzubringen. Zu Beginn sah alles nur heruntergekommen aus, viel zu groß und ungepflegt, doch die Bewohner machten es schnell zu einem recht wohnlichen Zuhause auf Zeit. Perfekt geeignet war Kingseat aber natürlich als Party Location. Platz, Platz, Platz… und niemand, den man stören könnte. Das wurde für so manche Party genutzt!

Gruppenfoto mit denen, die noch wach waren ;)

Wie schon im letzten Beitrag berichtet waren wir ein bunt gemischtes Team. Allein von der Südsee-Insel Vanuatu arbeiten 30 Männer und Frauen hier bei Punchbowl. Die Frauen bleiben meist für drei Monate, die Männer für sechs. Sie kommen nur zum Arbeiten nach Neuseeland. Dies wird durch ein Regierungsprojekt ermöglicht, das die Entwicklung der Südseeinseln unterstützen will.

Die Inseln von denen sie kommen sind sehr klein, es gibt keine Straßen und keine bis kaum Autos. Die Vanuatus jagen noch mit Buschmessern und Speeren nach Schweinen und Fischen. Sie haben selbstgebaute Hütten, kochen mit Feuer, haben keinen Strom und laufen ohne Schuhe. Genau genommen brauchen sie kaum Geld, da sie alles Lebensnotwendige selbst anbauen und untereinander tauschen. Nur Hygieneartikel und ähnliches müssen sie einkaufen. Sagen wir es so… inzwischen hat auch der Tourismus auf einigen Inseln Einzug gehalten, die „Zivilisation“ bzw. die „westliche Welt“ (eigentlich das falsche Wort, da sie überhaupt nicht unzivilisiert sind, aber ich hoffe, ihr versteht was ich sagen möchte) rückt immer weiter vor und es gibt sogar Masten zweier Mobilfunkanbieter. So nach und nach können und wollen sie sich dem Wandel nun nicht mehr entziehen. Für uns klingt ihr Leben abseits von Stress und Erfolgsdruck geradezu traumhaft, doch für sie bietet die Arbeit in Neuseeland und Australien eine willkommene Abwechslung und eine spannende Erfahrung.

Dementsprechend hat auch niemand von ihnen einen Führerschein, viele sind noch nie geflogen und viele waren noch nie in einer richtigen Stadt. Um ihnen neben der Arbeit noch weitere Erfahrungen ermöglichen zu können, unternimmt man Ausflüge mit ihnen. Dazu braucht man natürlich Freiwillige, die den Transport übernehmen. Manu meldete sich und holt die Vanuatus seitdem auch vor der Arbeit ab und fährt sie hinterher wieder zurück nach Kingseat, wo auch sie untergebracht sind.

Ich bin jedes Mal beeindruckt wie selbstverständlich Manu den großen Bus fährt. 10 Vanuatus hinten drin, mitten rein in die Stadt, einparken, ausparken, … alles kein Problem. Ich würde mich das niemals trauen! :)
Außerdem erschreckt er immer die Frauen und erfreut die Männer. Ihr glaubt nicht, wie groß die Freude ist, wenn er das Auto beim Bremsen ein bisschen ruckeln lässt oder gar 3 Runden im Kreisverkehr dreht! Es ist unbeschreiblich, sie flippen beinahe aus. Die Männer jubeln aus Spaß, die Frauen sind ein bisschen ängstlich.


Das erste Mal, als wir sie auf einem größeren Ausflug begleiteten, ging es in einen Vorort von Auckland in das große Einkaufszentrum „Sylvia Park“. Dort wurden Bankkonten für sie eröffnet und anderer Papierkram erledigt. Manche sind bereits die zweite oder dritte Saison hier und kennen sich bereits etwas aus, für viele ist es das erste Mal und sie hatten noch nie ein Konto, geschweige denn eine Bankkarte. Alles muss man ihnen erklären, aber sie freuen sich auch über alles und sind sehr interessiert. Irgendwie faszinierend, wie sie sich in einer für sie fremden Welt einfügen. Für uns ist es schwer vorstellbar, dass sie nicht wissen wie man Geld aus einem Bankautomaten holen kann oder dass man sich im Auto anschnallen muss. Nach dem Gang zur Bank führte der erste Weg geschlossen ins Warehouse (Laden in dem es tatsächlich alles gibt und in dem man stundenlang stöbern kann). Dort wurden Handys gekauft. Jeder einzelne wollte ein neues oder auch das erste Handy überhaupt haben ;)
Verständlich, zum einen weil es ja jetzt Empfang auf den Inseln gibt und so eben auch die Familie zuhause telefonisch erreicht werden kann.
Der Rückweg verzögerte sich dann noch um gute 45 Minuten. Mit der Pünktlichkeit nimmt mans auf Vanuatu nämlich nicht so genau. Rückfahrt war für 13.30 Uhr angesetzt, der letzte kam um 14.15 Uhr angelaufen. Bis dahin musste man aber auch genau aufpassen, dass einem nicht wieder drei andere davon laufen, um den Fehlenden zu suchen :D

Der zweite Ausflug ging dann wirklich hinein in den Großstadtdschungel Aucklands. Wir würden Auckland sicher nicht als einschüchternde Stadt bezeichnen, auch wenn sie die größte Neuseelands ist, aber für die Vanuatus die noch nie in einer Stadt waren und außer aus dem Fernsehen keine Hochhäuser kennen, ist es ein Erlebnis.
Mission Bay
Der erste Stopp war der Auckland Zoo. Anschließend ging es zu einem kleinen Bahnhof, von wo aus eine Gruppe Vanuatus den Zug in die Innenstadt nahm. Ein Highlight, da viele bis zu diesem Tag noch nie Zug gefahren waren. Wie wir hinterher mitgeteilt bekamen, hatte es auch nicht allen gefallen – zu schnell ;)
Nachdem wir sie am Bahnhof wieder eingesammelt hatten, ging es weiter zur Mission Bay. Dort gab es Mittagessen und der männliche Teil vergnügte sich mal wieder mit Fußball. Das ist wohl wirklich überall auf der Welt gleich. Gib ihnen einen Ball und sie sind stundenlang beschäftigt! Manu war natürlich mittendrin zu finden ;)
Anschließend mussten natürlich noch viele Erinnerungsfotos geknipst werden, wir alle hatten einen Riesenspaß. Ein wirklich lustiges Völkchen und supernett.

Mission Bay

Man beachte die FlipFlops mit den Socken ;)


...ein bisschen mehr Sonne würde Manu gut tun ;)

Satt und zufrieden fuhren wir über die Harbour Bridge, die der in Sydney nachempfunden ist, nur um einiges kleiner. Von der anderen Seite hat man eine schöne Sicht auf Aucklands Skyline.

Auckland Skyline
Vorletzter Stopp war die Innenstadt Aucklands. Wer wollte konnte noch ein bisschen bummeln gehen oder etwas einkaufen. Die meisten nutzten diese Chance.
Die meisten geben ihr Geld entweder für Computer oder Fernseher aus, ein großer Teil wird aber auch immer in Solaranlagen investiert. Dadurch gibt es inzwischen auch auf den kleinen Inseln der Inselgruppe Vanuatu Elektrizität.
Mit einiger Verspätung – ihr wisst ja, die erwähnte (Un-)Pünktlichkeit – ging es dann zum letzten Ziel des Tages: One Tree Hill. Von dort oben hat man eine wirklich tolle Sicht über Auckland. Auch wir waren noch nicht dort und so nutzten wir die Gelegenheit für einige Fotos. Da es schon dunkel war glitzerten und leuchteten die Lichter der Stadt. Einziges, dafür relativ großes Problem: ohne Stativ ist es ziemlich schwierig scharfe Fotos im Dunkeln zu machen. Ich habe mein bestes gegeben, bin aber nicht zu hundert Prozent überzeugt. Daran arbeiten wir nochmal ;)

Blick vom One Tree Hill
Obwohl die Pack-Saison noch nicht ganz zu ende ist, gab es trotzdem schon einmal eine Packhaus-Party. Ein Dankeschön von Punchbowl für alle Mitarbeiter für unser Engagement und unseren Einsatz. Das fanden wir doch eine ziemlich nette Geste, hatten wir doch alle fleißig gearbeitet und somit auch eine Belohnung verdient.
Das Packhaus wurde partytauglich umgeräumt, Essen und Getränke bereitgestellt, eine Musikanlage aufgebaut und schon konnte die Feierei losgehen. Es war ein wirklich lustiger Abend, der vor allem durch die verschiedenen Nationen besonders gemacht wurde. Unsere Kollegen aus Tonga erfreuten die gesamte Belegschaft mit drei Tanzeinlagen in traditionellen Kostümen und auch sonst blieb die Tanzfläche selten unbenutzt.
Auch das Essen fiel durchaus positiv auf. Es gab nicht die für Neuseeland üblichen Snacks aus Mikrowelle und Backofen, sondern tatsächlich frische Salate, Rindfleisch und Schinken, Kartoffeln und das obligatorische Weißbrot. Zum Nachtisch wurden Mini Eclairs und Eis aufgetischt. Alles in allem also eine deutliche Steigerung!
Wir Backpacker waren mal wieder die letzten, die das Packhaus verließen… praktisch natürlich, dass unser Heimweg mit 50m der mit Abstand kürzeste ist! :)

Schwarz und Blond :)






Traditioneller Tanz aus Tonga
Traditioneller Tanz aus Tonga
Typisch für die Südsee - übergewichtige Frauen



Das sind nur einige Beispiele für Unternehmungen. Wir haben auch Pukekohe, die nächstgelegene größere Stadt unsicher gemacht, waren am Feiertag in Auckland und hatten viele Abende mit Lagerfeuer unterm Sternenhimmel.

Die Zeit hier ist fast vorbei, …und nach (in Reisezeit betrachtet) doch ziemlich langer Zeit an diesem Ort könnte man glatt etwas sentimental werden… wäre da nicht die viiiiiel größere Freude darüber, endlich die Arbeit und die Kiwis zu vergessen und eeeeendlich weiter zu reisen.
Glaubts uns – es wird wirklich Zeit!

Samstag, 21. Juni 2014

Patumahoe Teil 2 – Kiwis sind eine Wissenschaft oder auch „Master of Class 2“

Nach langer Zeit melde ich mich heute auch mal wieder persönlich zu Wort ;) Nachdem Tanja in letzter Zeit den größten Teil der Schreibarbeit übernommen hat und ich höchstens assistiert habe, wird’s doch echt mal wieder Zeit ;)

Zurück in Patumahoe wurden uns gleich unsere neuen Jobs erklärt, die wir ab der kommenden Woche in der Nachtschicht ausführen sollten. Die Nachtschicht begann am darauffolgenden Abend, die Einarbeitung umfasste also nur einen Tag. Danach war ich mehr oder weniger auf mich allein gestellt. Mein Job „Class 2“. Eine eigene Maschine nur für mich. Dabei wollte ich doch eigentlich nur einen simplen Job, ohne Stress, ohne Verantwortung. Diese Entscheidung war mir somit abgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch keine Ahnung, wie viel Stress dieser Job wirklich mit sich bringen sollte.
Charm Kiwis
Vielleicht sollte ich euch aber zuerst einmal erklären, wie so ein Packhaus eigentlich funktioniert.
Gepackt werden hier im Packhaus fünf verschiedene Kiwi-Sorten. Zwei grüne Sorten, grün ist bei uns in Deutschland auch deutlich häufiger zu bekommen. Zusätzlich gibt es drei goldene Sorten: Gold, Sungold und Charm.

Als erstes müsst ihr es euch als riesige Halle vorstellen, darin befinden sich verschiedene Stationen, die von den Kiwis durchlaufen werden. Als erstes werden sie im sogenannten „Bin-Tip“ aus den großen Holzkisten auf ein Fließband gekippt. Von dort fahren sie als erstes zu den „Gradern“. Diese sortieren die Kiwis aus, die nicht den Ansprüchen an eine Klasse 1-Export-Kiwi genügen. Es gibt eine lange Liste an Mängeln, die dazu führen, dass eine Kiwi nicht mehr exportiert werden kann. Dazu darf euch Tanja später mehr erzählen ;)

Packhaus
Stechuhr - immer schön ein- und ausswipen ;)

Pack-Tisch
Nach dem Sortieren werden die Früchte in zwei Richtungen weiter geschickt. Entweder sie sind Klasse 1, dann werden sie über ein weiteres Fließband zu den Packern geschickt. Dort fallen sie nach Gewicht auf die Packtische, wo sie in verschiedene Boxen verpackt werden.
 Die aussortierten Kiwis fahren in die andere Richtung, gelangen zur sogenannten „Reject Analysis“, d.h. Ausschuss-Analyse. Das ist Tanjas Arbeitsplatz. Hier wird noch einmal kontrolliert, ob die Kiwis richtig aussortiert wurden und aus welchen Gründen dies passiert ist. Danach passieren sie die Class 2-Grader, die den letzten Blick auf die Früchte werfen. Hier werden verrottete, vergammelte Früchte aussortiert und in den Müll befördert. Der Rest geht direkt zu mir – zu Class 2.

Pack-Tische für Class 1-Kiwis

"Kiwi-Rutsche"
Kiwis auf dem Weg zu den Packtischen
...auf dem Fließband...
Kiwi-Boxen für grüne Kiwis ;)
Class 2 bedeutet soviel wie Klasse 2 und somit die Früchte, die nicht in alle Welt exportiert werden können, sondern nur in Neuseeland oder eventuell Australien verkauft werden. Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass damit kein Geld verdient werden kann, der große Gewinn liegt im Export, weshalb es immer wieder hieß „Ist ja nur Class 2“. Gepackt müssen sie aber trotzdem werden und je nach Grower (= Kiwi-Bauer) variierte die Qualität der Kiwis natürlich stark und somit auch die Anzahl der Früchte, die aussortiert und an meiner Class 2 Maschine gepackt werden mussten.

Bei der Arbeit - ein ruhiger Moment ;)
Manchmal passiert nicht viel, ich komme gut allein zurecht, auch wenn Labels und Palettenkarten gedruckt, alle Kiwis gepackt und die Boxen auf die Paletten gestapelt werden müssen. Nebenher müssen neue Boxen organisiert und vorbereitet werden. Mehr als genug zu tun für eine Person also, oft könnte man locker vier Personen dort beschäftigen.
Von einer Sekunde auf die andere kann sich das Tempo nämlich von langsam zu schnell ändern und dann bist du mittendrin in der Scheiße – entschuldigt meine Ausdrucksweise :) – aber anders kann mans kaum beschreiben. Die Kiwis schießen aus allen Bändern, die Boxen laufen über und allein ist kein Hinterherkommen mehr. Leider wurde Class 2 eben als nicht so wichtig erachtet und auf Hilfe konnte ich somit nicht immer hoffen. Anfangs hat mich das schon gestresst, inzwischen bin ich ja sozusagen ein alter stressresistenter Hase und es interessiert mich nicht mehr wie viele Bänder überlaufen. Bei schlechten Früchten ist es einfach unmöglich den Laden alleine zu schmeißen… Tanja meint ja, ich hätte von Anfang an öfter mal ein bisschen langsamer sein sollen, dann wäre ihnen vielleicht schneller aufgefallen, dass Hilfe nötig ist. Ich bin aber gerannt wie ein Idiot um alles selbst erledigen zu können.

Boxen an der Class 2-Maschine
Tanjas Job lief da um einiges entspannter, aber auch langweiliger, ab. Eigentlich könnte man behaupten, dass ihre Aufgabe eine der einzigen beinahe stressfreien ist. Ich lass sie das mal selbst erklären.

Tanjas Arbeitsplatz in einem sehr ruhigen Moment :)
Mein Job ist die sogenannte Reject Analysis, wie Manu ja schon geschrieben hat. Mein Arbeitsplatz befindet sich leider im letzten Eckchen des Packhauses. Ganz hinten und ganz allein. Ihr könnt euch vorstellen, wie schlimm es hin uns wieder für mich ist mich nicht unterhalten zu können.
Niemand der mit mir redet ;) Ich singe... vielleicht besser als mit mir selbst zu reden. Zum Glück hört mich dahinten ja auch niemand. Außerdem ist es angeblich der einzige Platz im ganzen Packhaus der von den Kameras nicht eingesehen werden kann ;) Es gibt dementsprechend auch keine Fotos von mir bei der Arbeit. Ich glaube, zu Beginn der Saison wussten die wenigsten Menschen im Packhaus, dass es mich und meinen Job überhaupt gibt. Die Besucherrate war also auch nicht all zu hoch ;)




Ich kontrolliere zum einen die Grader, ob diese die richtigen Grading-Standards anwenden, d.h. ob sie genau das aussortieren, was aussortiert werden muss. Finde ich also gute, Class 1, Früchte auf meinem Band muss ich herausfinden wo diese herkommen und den Grading-Supervisor (Aufsichtsperson) darüber informieren. Eine weitere Aufgabe ist das Kontrollieren des sogenannten „Undersize-Belts“… hier werden durch die Maschine automatisch die Kiwis aussortiert, die zu klein zum Packen sind. Regelmäßig muss also gewogen werden, ob das Gewicht immer noch im richtigen Bereich liegt. Sind zu große Kiwis dabei, ist das schlecht, da dieses Fließband direkt und ohne weitere Kontrolle in den Müll läuft. Unterlaufen hier Fehler, können dem Grower (Kiwi-Bauer) große Verluste entstehen. Sollte dies vorkommen, was öfter der Fall war, muss sofort der zuständige „Machine-Operator“ (Maschinenführer) informiert werden. Ebenso, sollten Kiwis auftauchen die frische Löcher oder Schnitte aufweisen, die durch die Maschine verursacht wurden.
Zusätzlich überprüfe ich aus welchen Gründen die Kiwis aussortiert wurden. Dazu nehme ich stündlich mehrere Stichproben und sortiere sie anhand einer Liste. Diese umfasst 35 Gründe, aus denen eine Kiwi keine Export-Kiwi mehr sein darf. Ich sage euch, es ist wirklich schwierig eine perfekte Kiwi zu sein. Die Ergebnisse packe ich in den Computer und erstelle daraus Graphiken, sowie einen Schicht-Bericht. Dies soll den Growern helfen im nächsten Jahr ihren Kiwi-Anbau zu optimieren und Mängel an den Kiwis zu vermeiden. Hier eine Reihe von Beispielen wie sie nicht aussehen dürfen ;)

Niedliche kleine Knubbel sind unerwünscht
Und zwei niedliche kleine Knubbel natürlich erst recht ;)
Unförmig... auch genannt quadratisch ist auch nicht gern gesehen
Auch der Streifenlook ist nicht im Export-Trend
Po-Form fällt auch unter die Kategorie "Class 2"
Natürlich werden auch noch jede Menge andere Aufgaben nötig bis so eine Palette Kiwis nach Übersee verschifft werden kann. Es gibt noch das sogenannte „Tray Prep“, dort werden die Boxen für das Packen vorbereitet. Meistens geht es dort ziemlich flott zu und man ist eigentlich immer im Stress.


Tray Prep Bereich
Annett beim Tray Prep
Des weiteren gibt es viele Mitarbeiter im QC – Quality Control, die sich durch ständige Tests und Checks darum kümmern, dass alle Früchte den Qualitätsstandards entsprechen. Mechaniker, Maschinenführer, Gabelstaplerfahrer, undundund…

Manu, Sabine und Richard bei der ?Arbeit? :D
Besprechung vor Schichtbeginn
Wir könnten noch stundenlang über die Abläufe im Packhaus erzählen, das würde aber vermutlich komplett den Rahmen sprengen, da man sich das natürlich auch schlecht vorstellen kann, ohne jemals zuvor ein Packhaus von innen gesehen zu haben. Hoffentlich konnten wir euch trotzdem einen kleinen Einblick vermitteln.

Insgesamt passieren die lustigsten Geschichte aber vermutlich neben dem normalen Packhaus-Alltag.
Mehrere Male bekam ich Besuch von einem niedlichen kleinen Opossum. Dieses ist in einem Packhaus in dem mit Lebensmitteln hantiert wird und Hygiene extrem wichtig ist, natürlich nicht gerne gesehen. Es saß grade mal einen Meter weg von mir auf der Treppe und hat mich angeschaut, bevor Karl mit einem Besen kam und versucht hat es zu erschlagen :( Leider war es nicht möglich ein Foto zu machen, dafür war es dann doch zu flink. Außerdem hat man beim Arbeiten ja auch nicht immer die Kamera parat. Ich habe es in dieser einen Nacht mehrmals gesehen, aber auch danach muss es mir immer wieder einen Besuch abgestattet haben. Deutlich erkennbar an den Hinterlassenschaften. Ich hab doch noch versucht es vor dem Besen zu retten und dafür kackt es mir auf meinen Schreibtisch – das ist wahre Dankbarkeit :D
Zwei Nächte lang war es richtig kalt und hatte mit Temperaturen unter Null sogar Frost. Damit die Kiwis nicht erfrieren wird einfach ein Hubschrauber gemietet, der die ganze Nacht über die Pflanzen fliegt und diese mit warmer Luft bepustet ;) was es nicht alles gibt.

Anti-Frost-Helikopter
Einmal musste das gesamte Packhaus gestoppt werden, weil jemand ein Messer verloren hatte und dieses von oben in die Maschine gefallen war.
Solche und andere Vorfälle machen den Arbeitsalltag, der ansonsten immer der gleiche ist, wesentlicher interessanter und spaßiger und sorgen für Abwechslung.

Die Nachtschicht war super für uns. Wir hatten ja beide vorher noch nie Nachtschicht gearbeitet und waren gespannt, wie das mit der Anpassung so funktionieren würde. Die Schicht ging von 17.55 Uhr bis 3.30 Uhr. Bis wir im Bett waren war es aber meistens auch schon zwischen 5.00 und 7.00 Uhr morgens, dafür standen wir erst gegen 13.00 oder 14.00 Uhr wieder auf.
Inzwischen war unsere Backpacker-Truppe von anfänglich 7 Leuten auf fast 30 angestiegen. Wir wohnten an drei Orten. Hier, direkt am Packhaus, in Kingseat in einem stillgelegten Krankenhaus und in Waiuku auf einem Campingplatz.
So kamen in der zweiten Nachtschicht-Woche auch Annett und Christian zum Arbeiten zu uns ins Packhaus, da sie aufgrund des schlechten Wetters in Tauranga längere Zeit nicht arbeiten konnten. Zusammen mit ihnen und Vicky und Richard, die etwas später in der Nachtschicht angefangen hatten, verbrachten wir die meiste Zeit.

Manu mit Simon - unserem Nachtschicht-Chef
Nach 7 Wochen endete die Nachtschicht mit einer kleinen Party und einem gemeinsamen Essen.
Aus Tag- und Nachtschicht wurden die angeblich besten Mitarbeiter ausgewählt und eine neue Tagschicht gebildet. Teil dieser sind natürlich auch wir – ich hoffe, es ist jetzt keiner überrascht, natürlich gehören wir zu den besten! ;)
Die Nachtschicht hat uns aber deutlich besser gefallen. Die Kollegen waren super und das Arbeitsklima deutlich entspannter, was größtenteils vermutlich an Simon, unserem Nachtschicht-Manager lag, der immer alles unter Kontrolle hatte. Locker und ohne Stress. So haben alle gut zusammen gearbeitet, was die Nächte wirklich angenehm machte. Wir sind ein bunter Haufen aus Neuseeländern, Maoris, Backpackern (Deutschland, Frankreich, Tschechien, Argentinien etc.) und Islandern aus der Südsee. Diese kommen größtenteils aus Vanuatu, Tonga oder Samoa.

Jackson (Vanuatu) und Richard (Deutschland)
Nach der letzten Nachtschicht
Jakub und Martina
Nach der letzten Nachtschicht
Seitdem es die neue Tagschicht gibt wird nur noch fünf Tage die Woche gearbeitet. Manchmal war es doch etwas ärgerlich, in letzter Zeit ging öfter die Arbeit quasi komplett aus. Teils weil Früchte noch nicht reif genug zum Packen waren oder die Maschine einfach beschlossen hatte, nicht mehr funktionieren zu wollen.

Deshalb bekamen wir andere mehr oder weniger spaßige Aufgaben. Die Jungs durften sich meistens mit Hi-Cubing beschäftigen, d.h. die Paletten noch um zwei Boxenreihen höher machen oder aus mehreren Paletten eine machen, um Platz im Kühlhaus zu schaffen. Die Mädels hatten entweder frei, was uns gar nicht passte, oder durften putzen, Sticker von der Maschine abfummeln oder „repacken“. Manche bereits gepackten Boxen müssen nochmals geöffnet und umgepackt werden, wenn sie länger im Kühlhaus gelagert wurden. Drei Tage verbrachten wir auch damit Vliesmatten um kleine Blaubeerpflanzen zu legen, damit kein Unkraut mehr wachsen kann. Alles in allem also eher unspektakuläre Arbeiten, aber egal. Hauptsache Arbeit! ;)
Außen- und Raucherbereich

Insgesamt haben wir es richtig gut getroffen mit diesem Job. Wir konnten jede Menge Geld sparen und hatten die meiste Zeit auch Spaß und haben viele neue, tolle Menschen kennengelernt.
Jetzt haben wir noch genau eine Woche Arbeit vor uns, bevor es eeeendlich weiter geht. Darauf freuen wir uns sehr. Irgendwann reichts ja auch wirklich wieder mit den Kiwis.

So viel mal zum Arbeiten. Natürlich haben wir aber auch immer versucht in unserer Freizeit wenigstens ein bisschen was zu unternehmen. Außerdem bedeutet das Zusammenleben mit so vielen Menschen automatisch auch jede Menge Spaß und Partys. Einen Grund zum Feiern findet man ja schließlich immer. Dazu aber mehr im nächsten Bericht.

Danke an Richard, Vicky und Annett für eure Fotos. ;)