Freitag, 8. Mai 2015

Saigon / Ho Chi Minh City – Erste Tage in Vietnam

Nach dieser langen Reise und der wilden nächtlichen Rollerfahrt mitten durch Saigons Innenstadt ließen wir den ersten richtigen Tag in Vietnam ruhig angehen. Wir schliefen aus, frühstückten und machten uns dann erst auf zur ersten Erkundungstour.

Aus Saigon wurde nach der Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam im Jahr 1976 Ho Chi Minh City, benannt nach dem Mann, der 1930 in Hongkong die Kommunistische Partei Vietnams gründete. Ho Chi Minh bedeutet übersetzt so viel wie "Ho mit dem klaren Willen". Dennoch hat sich der neue Name nie richtig durchsetzen können und der Name Saigon wird nach wie vor häufig verwendet, gerade auch von Einheimischen und im touristischen Umfeld. Uns gefällt Saigon jedenfalls definitiv besser ;)

Typisch: Smog
Saigon ist das kommerzielle Herz Vietnams, Business wird großgeschrieben und viele internationale Unternehmen haben bereits Niederlassungen aufgebaut. Wer sich den Verkehr auf den Straßen anschaut, bekommt den Eindruck, dass die Hälfte der Stadt auf dem Moped unterwegs ist. Schätzungen zufolge gibt es in Saigon ca. 5 Mio. Mopeds, was in Anbetracht der Einwohnerzahl schon recht ordentlich ist. Über 7 Millionen Menschen – so schätzt man – suchen hier ihr Glück. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt, da permanent Menschen aus allen Teilen Vietnams in die Metropole zuwandern. Der Verkehr ist jedoch generell auf den ersten Blick ziemlich erschlagend. Massen von Mopeds brummen um einen herum, der Lärm, die Wärme und die Hektik verstärken den wuseligen Eindruck noch. Auf nicht selten 8-spurigen Straßen herrscht ein unglaubliches Gewirr von Mopeds, Taxis, Bussen und Cyclos, wie man die Rikschas hier nennt.
Das ununterbrochene Hupen sämtlicher Verkehrsteilnehmer prägt den Sound dieser Stadt, die kein Ort zum In-Sich-Gehen oder gar Relaxen ist. Viele Touristen sind erst einmal geschockt und überfordert.  Auch wenn es die wenigsten eingestehen – es geht sicher vielen so. Hat man sich aber erst an die Lautstärke, die Hitze und die wahnsinnig vielen Menschen auf engem Raum gewöhnt, dann gibt es in Saigon viel zu erleben und zu entdecken. So mancher würde sogar sagen, dass man hier das richtige Asien vorfindet. Wer Saigon gesehen hat, der weiß, was der Begriff "asiatische Großstadt" bedeutet.
Dieser Eindruck bleibt aber jedem selbst überlassen und für uns waren die ländlichen Gebiete, Dörfer und Kleinstädte bei weitem einprägsamer als jede Millionenstadt.

Voll ists überall :)


Unsere Unterkunft befand sich im District 1, genaugenommen im Backpacker-Viertel, das sich rund um zwei wuselige und bei Touristen beliebte Straßen erstreckt – die Phạm Ngũ Lão und die Bui Vien. Dort ist auch nachts etwas geboten, es wimmelt von Menschen, kleinen Restaurants und Straßenständen. Unterkünfte sind sauber und günstig und gerade auch im Vergleich zu Kambodscha und Indonesien bereits deutlich besser ausgestattet. Man bekommt umgerechnet mehr für sein Geld, da sich die Preise wenig unterscheiden.
Das District 1 liegt mitten im Herzen Saigons und ist Finanz- und Handelsbezirk. Es besticht durch seine französische Kolonialarchitektur, die besonders durch weite, baumgesäumte Boulevards und Parkanlagen geprägt ist. Viele Sehenswürdigkeiten finden sich hier und manche Reisende verlassen diesen Bezirk so gut wie nicht während ihres Aufenthalts in Saigon.

Auch hier ist die Kabelverlegung interessant ;)
Die typischen Garküchen findet man eher im angrenzenden District 3, dass ruhiger und auch ein bisschen malerischer ist als sein unordentlicher, wuseliger Nachbar. Hier befinden sich viele ausländische Botschaften und französische Kolonialgebäude. Mehr locals und mehr local food wird hier in Garküchen angeboten und Straßenstände mit den typischen kleinen Plastikhockern reihen sich aneinander. Überall gibt es Pho (Suppe), Com (Reis) und Banh Mi (Baguettes) zu Spottpreisen.

Benh Thanh Markt
Den ersten Tag verbrachten wir natürlich mal wieder mit einem Stadtbummel. Wie meistens führte uns unser Weg als erstes zu einem der vielen Märkte. Nachdem wir in jedem Land alle möglichen Märkte mitgenommen hatten, waren wir schon neugierig auf die vietnamesische Variante und der Benh Thanh Markt lag nicht weit von unserem Hotel entfernt.



Er wird als einer der besten und vielfältigsten Märkte Ho Chi Minhs beschrieben, der zwar nicht zu den allerbilligsten gehört, aber handeln ist ja sowieso überall Pflicht und so stürzten wir uns ins Getümmel. Sofort gings los, wir wurden angesprochen, oft sogar vehement zum Kauf aufgefordert. Verkäufer hier waren deutlich aufdringlicher als anderswo und gingen uns damit teilweise schon etwas auf die Nerven. Nein sagen und weiter gehen, lächeln und Kopf schütteln… das waren wir ja schon gewöhnt ;) Insgesamt gibt es über 3.000 Verkaufsstände, die sich dicht an dicht drängen, die Gassen zwischen den Buden sind grade mal einen halben Meter breit und überall drängen sich Menschen. Letztendlich gibt es fast nichts, was es nicht gibt ;) Souvenirs, verschiedenste Klamotten, Taschen und Schuhe, Stoffe, Keramik und Geschirr, …dazwischen Essensstände mit der obligatorischen Suppe, Obst und Getränke.


Buntes Gewimmel, asiatische Gerüche und Stimmengewirr machen solche Märkte stets zu einem Erlebnis.
Einmal pro Woche findet ganz in der Nähe auch ein Nachtmarkt statt, den wir uns auch nicht entgehen ließen. Dieser enttäuschte uns aber eher, weshalb wir schnell wieder gingen und lieber noch eine Weile durch die kleinen nächtlichen Gassen schlenderten.




Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die bekannte Notre Dame Cathedral, die 1877 mit aus Frankreich importiertem Baumaterial gebaut wurde. Die roten Ziegelsteine stammen aus Marseille und ergeben ein hübsches Bild. Die zwei Türme und die große Glas-Rosette direkt über dem Eingang erinnern tatsächlich an Notre Dame in Paris und so gefiel uns die Kirche echt gut. Sie befindet sich quasi mitten auf einer belebten Kreuzung und so ist auch verkehrstechnisch recht viel los. Vor der Kirche steht eine Steinstatue der Jungfrau Maria, von der behauptet wird, dass sie 2005 geweint haben soll. Dies wurde allerdings nie von offizieller Seite bestätigt, obwohl es Augenzeugen gegeben haben soll. Sehr beliebt ist die Kirche auch für Hochzeitsfotos und so sahen wir mindestens fünf Pärchen vor, neben und rund um die Kirche posieren.
 
Notre Dame Cathedral
Notre Dame Cathedral
Leider konnten wir Notre Dame nicht von innen besichtigen, da sie über die Mittagszeit geschlossen war. Überhaupt hatten wir etwas Pech mit den Besichtigungszeiten. Das meiste war zwischen 12.00 und 14.00 oder sogar 15.00 Uhr geschlossen, was recht schwierig war im Vorfeld in Erfahrung zu bringen und so erfuhren wir immer erst von Cyclo-Fahrern oder Straßenverkäufern kurz vorm Ziel, dass geschlossen wäre.

Notre Dame mit Maria Statue
Mehrfach ging uns das so und da wir nicht drei Stunden warten wollten bis alles wieder geöffnet wäre, so entschieden wir uns die Kirche nur von außen zu besichtigen und anschließend, rechtzeitig zur Öffnung, zum War Remnant Museum (Kriegsreste-Museum) zu gehen.
Dieses Museum ist nichts für Zartbesaitete. Es zeigt die Realität genau wie sie war – grausam, brutal und unendlich traurig. Bis vor einigen Jahren hieß es noch "Museum der amerikanischen Kriegsverbrechen". Doch dann kam der Dollar zurück nach Vietnam, und da die Vietnamesen freundliche, und geschäftstüchtige Menschen sind, die aller Welt vergeben und erst recht niemanden beleidigen wollen, wurde der Name geändert.

Kriegsrestemuseum
Eingangshalle des Kriegsrestemuseums
Der Vietnamkrieg war einer der Stellvertreterkriege im Kalten Krieg, das heißt die beiden Großmächte USA und Sowjetunion trugen ihre Konflikte also in Drittstaaten aus. Zwar wird der Vietnamkrieg von 1964 – 1975 datiert, lässt sich aber in drei Phasen einteilen: die französische, die amerikanische und die vietnamesische Phase.

Im 19. Jh. eroberten die Franzosen Indochina (Laos, Kambodscha, Vietnam) und errichteten dort eine Kolonialherrschaft, deren französischer Einfluss auch heute noch an allen Ecken und Enden sowie an vielen Kleinigkeiten spürbar ist. Bald schon regte sich der erste Widerstand. Bereits im Jahr 1919 forderte der spätere Präsident Ho Chi Minh die Selbstständigkeit seines Landes. 1941 gründete Ho Chi Minh dann die „Liga für die Unabhängigkeit Vietnams“ (Vietcong), die von den USA finanziell unterstützt wurde. Im September 1945 rief Ho Chi Minh in Hanoi die unabhängige Republik Vietnam aus, woraufhin die Franzosen versuchten ihre ehemalige Kolonie zurückzuerobern. Der nun ausbrechende Krieg erfasste auch Laos und Kambodscha. Im Jahr 1954 wurden die Franzosen jedoch vernichtend geschlagen und Vietnam längs des 17. Breitengrades in ein kommunistisches Nordvietnam und ein westlich orientiertes Südvietnam geteilt.


Während Ho Chi Minh in Nordvietnam mit Hilfe von China und der UdSSR rasch ein kommunistisches System errichtete, regierte in Südvietnam Ngo Dinh Diem, der die Unterstützung der USA genoss, sich aber bald als Diktator zeigte. Ein großer Teil der Bevölkerung stellte sich deshalb gegen Ngo Diem.

Im Jahr 1964 griffen die Amerikaner erstmals offen in den Krieg zwischen Nord- und Südvietnam ein, auf Seiten Südvietnams und eröffneten damit letztendlich den Vietnamkrieg. Anlass war der Beschuss eines amerikanischen Kriegsschiffes im Golf von Tonking durch die nord-vietnamesische Marine. Die Nordvietnamesen gründeten die „Nationale Befreiungsfront Südvietnams“, die allmählich große Teile des Landes unter Kontrolle bekam.
Der Krieg wurde auf beiden Seiten absolut erbarmungslos geführt und war sozusagen kein Krieg gegen Feinde, sondern gegen das eigene Volk. Die Vietcong wandten die sogenannte „Guerillatechnik“ an. Sie ermordeten politische Gegner, überfielen Städte mit Granatwerfern und zogen sich dann rasch in den Dschungel zurück. Stets unterstützt durch China, woher große Mengen an Munition beschafft werden konnten. Die Amerikaner hingegen versuchten mit modernen Vernichtungswaffen und allen Mitteln chemischer Kampfführung den Gegner zu vernichten. Vor allem die Bevölkerung hatte unter diesem Vernichtungskrieg furchtbar zu leiden. Während des Krieges kam es zum Einsatz von Napalm-Bomben und Pestiziden, welche schwere Schäden im Land und bei den Menschen anrichteten. Im März 1968 war der bekannte Überfall auf My Lai, eine Stadt in Südvietnam. Das Massaker an vielen unschuldigen Zivilisten gilt heute als Kriegsverbrechen. Daraufhin stellten die USA ihre Luftangriffe ab 1969 ein.



Dieser Krieg hatte letztendlich 2,5 Millionen Tote, 3 Millionen Verwundete und ca. 6 Millionen Flüchtlinge aus Südvietnam zur Folge. Die Flüchtlinge, die sich über das Chinesische Meer retten wollten, bauten Boote und Flöße, um aus Vietnam zu entkommen.
(http://www.online-wissen.org/geschichte/vietnamkrieg/zusammenfassung)
 
Viele Kinder blieben nach dem dreißig Jahre andauernden Krieg als Vollwaisen zurück und auch heute sieht man noch viele behinderte oder verkrüppelte Menschen auf der Straße. Andauernde Folge eines schrecklichen Krieges und die Nachwirkungen von Agent Orange, einem Pestizid zur Entlaubung von Wäldern, das vor allem genutzt wurde um den Vietcong-Kämpfern das Verstecken in den dichten Wäldern zu erschweren. Es wurde von Flugzeugen oder Hubschraubern aus großflächig versprüht. In diesem Entlaubungsmittel ist hauptsächlich TCDD enthalten, ein Gift, das lange Zeit in der Umwelt verbleibt und Menschen nicht nur direkt, sondern somit auch nachhaltig schädigt. Zudem tragen auch ungeborene Kinder im Mutterleib bleibende Schäden davon. Dies führt bis heute zu einem drastisch erhöhten Aufkommen von Fehlbildungen, Krebserkrankungen und anderer Erkrankungen. Vietnamesische Opfer erhalten bis heute keine Entschädigungen.

Die Bilder und Zahlen in dem Museum sprechen ohnehin für sich. Es zeigt grauenhafte Zeugnisse dieses Krieges und erinnert an die Opfer. So z.B. an die 504 ermordeten Bewohner des Dorfes My Lai oder an das Mädchen aus Trang Bang, das napalmverbrannt, nackt und schreiend auf einen Fotografen zu rennt. Dieses Foto erhielt den Pulitzer Preis und half, wie viele solche Bilder, den Vietnam-Krieg zu beenden. Der Gang durch dieses Museum, vorbei an Fotos von verbrannten, gefolterten Menschen und Opfern der Pestizid Angriffe (Agent Orange), macht einen traurig und auch ein wenig wütend. Über 17 Jahre fielen 14,3 Mio. Tonnen Bomben auf Vietnam und zum Teil auf Laos und Kambodscha. Eine unglaubliche Zahl.



Draußen kann man alte Panzer und Kriegsflugzeuge der US Air Force besichtigen. Davon gibt es Fotos wie ihr sehen könnt, drinnen habe ich mir gespart welche zu machen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie brutal und grausam diese waren und so hatten wir uns entschieden auf solche Fotos lieber zu verzichten… insgesamt gehört ein Besuch dieses Museums quasi zum Pflichtprogramm Vietnamreisender, hinterließ uns aber auch ein unangenehmes, irgendwie unbehagliches Gefühl…

Einziges Foto innen
Anschließend machten wir uns auf zum Wiedervereinigungspalast, den wir – Überraschung – aufgrund der Besuchszeiten wieder nur von außen betrachteten. Reichte uns aber ehrlich gesagt auch :) Der Palast war auch unter dem Namen Unabhängigkeitspalast bekannt, bevor Saigon von den Kommunisten übernommen wurde. Der berühmteste Moment in der Geschichte des Gebäudes war der Durchbruch des Haupttores mit Panzern im April 1975.

Kurz mal einem Straßenverkäufer die Arbeit abgenommen ;)
Nach einigen interessanten Tagen in Saigon verließen wir Vietnams größte Stadt. Weg vom Gewusel hin zur Ruhe im Hochland. Verheißungsvolles Ziel: Da Lat – Stadt des ewigen Frühlings.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen