Nach dieser langen Reise und der
wilden nächtlichen Rollerfahrt mitten durch Saigons Innenstadt ließen wir den ersten
richtigen Tag in Vietnam ruhig angehen. Wir schliefen aus, frühstückten und
machten uns dann erst auf zur ersten Erkundungstour.
Aus Saigon wurde nach der
Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam im Jahr 1976 Ho Chi Minh City, benannt
nach dem Mann, der 1930 in Hongkong die Kommunistische Partei Vietnams
gründete. Ho Chi Minh bedeutet übersetzt so viel wie "Ho mit dem klaren
Willen". Dennoch hat sich der neue Name nie richtig durchsetzen können und
der Name Saigon wird nach wie vor häufig verwendet, gerade auch von
Einheimischen und im touristischen Umfeld. Uns gefällt Saigon jedenfalls definitiv
besser ;)
Typisch: Smog |
Saigon ist das kommerzielle Herz
Vietnams, Business wird großgeschrieben und viele internationale Unternehmen
haben bereits Niederlassungen aufgebaut. Wer sich den Verkehr auf den Straßen
anschaut, bekommt den Eindruck, dass die Hälfte der Stadt auf dem Moped
unterwegs ist. Schätzungen zufolge gibt es in Saigon ca. 5 Mio. Mopeds, was in
Anbetracht der Einwohnerzahl schon recht ordentlich ist. Über 7 Millionen
Menschen – so schätzt man – suchen hier ihr Glück. Wie viele es genau sind, ist
nicht bekannt, da permanent Menschen aus allen Teilen Vietnams in die Metropole
zuwandern. Der Verkehr ist jedoch generell auf den ersten Blick ziemlich
erschlagend. Massen von Mopeds brummen um einen herum, der Lärm, die Wärme und
die Hektik verstärken den wuseligen Eindruck noch. Auf nicht selten 8-spurigen
Straßen herrscht ein unglaubliches Gewirr von Mopeds, Taxis, Bussen und Cyclos,
wie man die Rikschas hier nennt.
Das ununterbrochene Hupen
sämtlicher Verkehrsteilnehmer prägt den Sound dieser Stadt, die kein Ort zum
In-Sich-Gehen oder gar Relaxen ist. Viele Touristen sind erst einmal geschockt
und überfordert. Auch wenn es die
wenigsten eingestehen – es geht sicher vielen so. Hat man sich aber erst an die
Lautstärke, die Hitze und die wahnsinnig vielen Menschen auf engem Raum gewöhnt,
dann gibt es in Saigon viel zu erleben und zu entdecken. So mancher würde sogar
sagen, dass man hier das richtige Asien vorfindet. Wer Saigon gesehen hat, der
weiß, was der Begriff "asiatische Großstadt" bedeutet.
Dieser Eindruck bleibt aber jedem
selbst überlassen und für uns waren die ländlichen Gebiete, Dörfer und
Kleinstädte bei weitem einprägsamer als jede Millionenstadt.
Voll ists überall :) |
Unsere Unterkunft befand sich im District
1, genaugenommen im Backpacker-Viertel, das sich rund um zwei wuselige und bei
Touristen beliebte Straßen erstreckt – die Phạm Ngũ Lão und die Bui Vien. Dort ist
auch nachts etwas geboten, es wimmelt von Menschen, kleinen Restaurants und
Straßenständen. Unterkünfte sind sauber und günstig und gerade auch im
Vergleich zu Kambodscha und Indonesien bereits deutlich besser ausgestattet. Man
bekommt umgerechnet mehr für sein Geld, da sich die Preise wenig unterscheiden.
Das District 1 liegt mitten im
Herzen Saigons und ist Finanz- und Handelsbezirk. Es besticht durch seine
französische Kolonialarchitektur, die besonders durch weite, baumgesäumte
Boulevards und Parkanlagen geprägt ist. Viele Sehenswürdigkeiten finden sich
hier und manche Reisende verlassen diesen Bezirk so gut wie nicht während ihres
Aufenthalts in Saigon.
Auch hier ist die Kabelverlegung interessant ;) |
Die typischen Garküchen findet
man eher im angrenzenden District 3, dass ruhiger und auch ein bisschen
malerischer ist als sein unordentlicher, wuseliger Nachbar. Hier befinden sich
viele ausländische Botschaften und französische Kolonialgebäude. Mehr locals
und mehr local food wird hier in Garküchen angeboten und Straßenstände mit den
typischen kleinen Plastikhockern reihen sich aneinander. Überall gibt es Pho
(Suppe), Com (Reis) und Banh Mi (Baguettes) zu Spottpreisen.
Benh Thanh Markt |
Den ersten Tag verbrachten wir
natürlich mal wieder mit einem Stadtbummel. Wie meistens führte uns unser Weg
als erstes zu einem der vielen Märkte. Nachdem wir in jedem Land alle möglichen
Märkte mitgenommen hatten, waren wir schon neugierig auf die vietnamesische
Variante und der Benh Thanh Markt lag nicht weit von unserem Hotel entfernt.
Er wird als einer der besten und
vielfältigsten Märkte Ho Chi Minhs beschrieben, der zwar nicht zu den
allerbilligsten gehört, aber handeln ist ja sowieso überall Pflicht und so
stürzten wir uns ins Getümmel. Sofort gings los, wir wurden angesprochen, oft
sogar vehement zum Kauf aufgefordert. Verkäufer hier waren deutlich
aufdringlicher als anderswo und gingen uns damit teilweise schon etwas auf die
Nerven. Nein sagen und weiter gehen, lächeln und Kopf schütteln… das waren wir
ja schon gewöhnt ;) Insgesamt gibt es über 3.000 Verkaufsstände, die sich dicht
an dicht drängen, die Gassen zwischen den Buden sind grade mal einen halben
Meter breit und überall drängen sich Menschen. Letztendlich gibt es fast
nichts, was es nicht gibt ;) Souvenirs, verschiedenste Klamotten, Taschen und
Schuhe, Stoffe, Keramik und Geschirr, …dazwischen Essensstände mit der
obligatorischen Suppe, Obst und Getränke.
Buntes Gewimmel, asiatische
Gerüche und Stimmengewirr machen solche Märkte stets zu einem Erlebnis.
Einmal pro Woche findet ganz in
der Nähe auch ein Nachtmarkt statt, den wir uns auch nicht entgehen ließen. Dieser
enttäuschte uns aber eher, weshalb wir schnell wieder gingen und lieber noch eine
Weile durch die kleinen nächtlichen Gassen schlenderten.
Eine weitere Sehenswürdigkeit ist
die bekannte Notre Dame Cathedral, die 1877 mit aus Frankreich importiertem
Baumaterial gebaut wurde. Die roten Ziegelsteine stammen aus Marseille und
ergeben ein hübsches Bild. Die zwei Türme und die große Glas-Rosette direkt
über dem Eingang erinnern tatsächlich an Notre Dame in Paris und so gefiel uns
die Kirche echt gut. Sie befindet sich quasi mitten auf einer belebten Kreuzung
und so ist auch verkehrstechnisch recht viel los. Vor der Kirche steht eine Steinstatue
der Jungfrau Maria, von der behauptet wird, dass sie 2005 geweint haben soll. Dies
wurde allerdings nie von offizieller Seite bestätigt, obwohl es Augenzeugen
gegeben haben soll. Sehr beliebt ist die Kirche auch
für Hochzeitsfotos und so sahen wir mindestens fünf Pärchen vor, neben und rund
um die Kirche posieren.
Leider konnten wir Notre Dame
nicht von innen besichtigen, da sie über die Mittagszeit geschlossen war. Überhaupt
hatten wir etwas Pech mit den Besichtigungszeiten. Das meiste war zwischen
12.00 und 14.00 oder sogar 15.00 Uhr geschlossen, was recht schwierig war im Vorfeld
in Erfahrung zu bringen und so erfuhren wir immer erst von Cyclo-Fahrern oder
Straßenverkäufern kurz vorm Ziel, dass geschlossen wäre.
Notre Dame mit Maria Statue |
Mehrfach ging uns das
so und da wir nicht drei Stunden warten wollten bis alles wieder geöffnet wäre,
so entschieden wir uns die Kirche nur von außen zu besichtigen und
anschließend, rechtzeitig zur Öffnung, zum War Remnant Museum (Kriegsreste-Museum)
zu gehen.
Dieses Museum ist nichts für
Zartbesaitete. Es zeigt die Realität genau wie sie war – grausam, brutal und
unendlich traurig. Bis vor einigen Jahren hieß es
noch "Museum der amerikanischen Kriegsverbrechen". Doch dann kam der
Dollar zurück nach Vietnam, und da die Vietnamesen freundliche, und geschäftstüchtige
Menschen sind, die aller Welt vergeben und erst recht niemanden beleidigen
wollen, wurde der Name geändert.
Kriegsrestemuseum |
Eingangshalle des Kriegsrestemuseums |
Der Vietnamkrieg war einer der
Stellvertreterkriege im Kalten Krieg, das heißt die beiden Großmächte USA und
Sowjetunion trugen ihre Konflikte also in Drittstaaten aus. Zwar wird der
Vietnamkrieg von 1964 – 1975 datiert, lässt sich aber in drei Phasen einteilen:
die französische, die amerikanische und die vietnamesische Phase.
Im 19. Jh. eroberten die
Franzosen Indochina (Laos, Kambodscha, Vietnam) und errichteten dort eine
Kolonialherrschaft, deren französischer Einfluss auch heute noch an allen Ecken und Enden sowie an vielen Kleinigkeiten spürbar ist. Bald schon regte sich der erste Widerstand. Bereits im Jahr
1919 forderte der spätere Präsident Ho Chi Minh die Selbstständigkeit seines
Landes. 1941 gründete Ho Chi Minh dann die „Liga für die Unabhängigkeit
Vietnams“ (Vietcong), die von den USA finanziell unterstützt wurde. Im September
1945 rief Ho Chi Minh in Hanoi die unabhängige Republik Vietnam aus, woraufhin die Franzosen versuchten ihre ehemalige Kolonie zurückzuerobern. Der nun
ausbrechende Krieg erfasste auch Laos und Kambodscha. Im Jahr 1954 wurden die
Franzosen jedoch vernichtend geschlagen und Vietnam längs des 17. Breitengrades
in ein kommunistisches Nordvietnam und ein westlich orientiertes Südvietnam
geteilt.
Während Ho Chi Minh in
Nordvietnam mit Hilfe von China und der UdSSR rasch ein kommunistisches System
errichtete, regierte in Südvietnam Ngo Dinh Diem, der die Unterstützung der USA
genoss, sich aber bald als Diktator zeigte. Ein großer Teil der Bevölkerung
stellte sich deshalb gegen Ngo Diem.
Im Jahr 1964 griffen die
Amerikaner erstmals offen in den Krieg zwischen Nord- und Südvietnam ein, auf Seiten
Südvietnams und eröffneten damit letztendlich den Vietnamkrieg. Anlass war der
Beschuss eines amerikanischen Kriegsschiffes im Golf von Tonking durch die nord-vietnamesische
Marine. Die Nordvietnamesen gründeten die „Nationale Befreiungsfront
Südvietnams“, die allmählich große Teile des Landes unter Kontrolle bekam.
Der Krieg wurde auf beiden Seiten absolut erbarmungslos geführt und
war sozusagen kein Krieg gegen Feinde, sondern gegen das eigene Volk. Die
Vietcong wandten die sogenannte „Guerillatechnik“ an. Sie ermordeten politische
Gegner, überfielen Städte mit Granatwerfern und zogen sich dann rasch in den
Dschungel zurück. Stets unterstützt durch China, woher große Mengen an Munition
beschafft werden konnten. Die Amerikaner hingegen versuchten mit modernen
Vernichtungswaffen und allen Mitteln chemischer Kampfführung den Gegner zu
vernichten. Vor allem die Bevölkerung hatte unter diesem Vernichtungskrieg
furchtbar zu leiden. Während des Krieges kam es zum Einsatz von Napalm-Bomben
und Pestiziden, welche schwere Schäden im Land und bei den Menschen
anrichteten. Im März 1968 war der bekannte Überfall auf My Lai, eine Stadt in
Südvietnam. Das Massaker an vielen unschuldigen Zivilisten gilt heute als
Kriegsverbrechen. Daraufhin stellten die USA ihre Luftangriffe ab 1969 ein.
Dieser Krieg hatte letztendlich 2,5 Millionen Tote, 3
Millionen Verwundete und ca. 6 Millionen Flüchtlinge aus Südvietnam zur Folge.
Die Flüchtlinge, die sich über das Chinesische Meer retten wollten, bauten
Boote und Flöße, um aus Vietnam zu entkommen.
(http://www.online-wissen.org/geschichte/vietnamkrieg/zusammenfassung)
Viele Kinder blieben nach dem
dreißig Jahre andauernden Krieg als Vollwaisen zurück und auch heute sieht man noch viele behinderte oder verkrüppelte Menschen auf der Straße. Andauernde Folge eines schrecklichen Krieges und die Nachwirkungen von Agent Orange, einem Pestizid zur Entlaubung von Wäldern, das vor allem genutzt wurde um den Vietcong-Kämpfern das Verstecken in den dichten Wäldern zu erschweren. Es wurde von Flugzeugen oder Hubschraubern aus großflächig versprüht. In diesem Entlaubungsmittel ist hauptsächlich TCDD enthalten, ein Gift, das lange Zeit in der Umwelt verbleibt und Menschen nicht nur direkt, sondern somit auch nachhaltig schädigt. Zudem tragen auch ungeborene Kinder im Mutterleib bleibende Schäden davon. Dies führt bis heute zu einem drastisch erhöhten Aufkommen von Fehlbildungen, Krebserkrankungen und anderer Erkrankungen. Vietnamesische Opfer erhalten bis heute keine Entschädigungen.
Die Bilder und Zahlen in dem Museum sprechen ohnehin für
sich. Es zeigt grauenhafte Zeugnisse dieses Krieges und erinnert an die Opfer. So
z.B. an die 504 ermordeten Bewohner des Dorfes My Lai oder an das Mädchen aus
Trang Bang, das napalmverbrannt, nackt und schreiend auf einen Fotografen zu rennt.
Dieses Foto erhielt den Pulitzer Preis und half, wie viele solche Bilder, den
Vietnam-Krieg zu beenden. Der Gang durch dieses Museum, vorbei an Fotos von
verbrannten, gefolterten Menschen und Opfern der Pestizid Angriffe (Agent
Orange), macht einen traurig und auch ein wenig wütend. Über 17 Jahre fielen 14,3 Mio.
Tonnen Bomben auf Vietnam und zum Teil auf Laos und Kambodscha. Eine unglaubliche
Zahl.
Draußen kann man alte Panzer und Kriegsflugzeuge der US Air Force
besichtigen. Davon gibt es Fotos wie ihr sehen könnt, drinnen habe ich mir gespart welche zu
machen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie brutal und grausam diese waren
und so hatten wir uns entschieden auf solche Fotos lieber zu verzichten…
insgesamt gehört ein Besuch dieses Museums quasi zum Pflichtprogramm Vietnamreisender,
hinterließ uns aber auch ein unangenehmes, irgendwie unbehagliches Gefühl…
Einziges Foto innen |
Anschließend machten wir uns auf zum
Wiedervereinigungspalast, den wir – Überraschung – aufgrund der Besuchszeiten
wieder nur von außen betrachteten. Reichte uns aber ehrlich gesagt auch :) Der
Palast war auch unter dem Namen Unabhängigkeitspalast bekannt, bevor Saigon von
den Kommunisten übernommen wurde. Der berühmteste Moment in der Geschichte des
Gebäudes war der Durchbruch des Haupttores mit Panzern im April 1975.
Kurz mal einem Straßenverkäufer die Arbeit abgenommen ;) |
Nach einigen interessanten Tagen in Saigon verließen wir
Vietnams größte Stadt. Weg vom Gewusel hin zur Ruhe im Hochland. Verheißungsvolles
Ziel: Da Lat – Stadt des ewigen Frühlings.
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