Nach langer Zeit melde ich mich
heute auch mal wieder persönlich zu Wort ;) Nachdem Tanja in letzter Zeit den
größten Teil der Schreibarbeit übernommen hat und ich höchstens assistiert
habe, wird’s doch echt mal wieder Zeit ;)
Zurück in Patumahoe wurden uns
gleich unsere neuen Jobs erklärt, die wir ab der kommenden Woche in der
Nachtschicht ausführen sollten. Die Nachtschicht begann am darauffolgenden
Abend, die Einarbeitung umfasste also nur einen Tag. Danach war ich mehr oder
weniger auf mich allein gestellt. Mein Job „Class 2“. Eine eigene Maschine nur
für mich. Dabei wollte ich doch eigentlich nur einen simplen Job, ohne Stress,
ohne Verantwortung. Diese Entscheidung war mir somit abgenommen worden. Zu
diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch keine Ahnung, wie viel Stress dieser Job
wirklich mit sich bringen sollte.
Charm Kiwis |
Vielleicht sollte ich euch aber
zuerst einmal erklären, wie so ein Packhaus eigentlich funktioniert.
Gepackt werden hier im Packhaus
fünf verschiedene Kiwi-Sorten. Zwei grüne Sorten, grün ist bei uns in
Deutschland auch deutlich häufiger zu bekommen. Zusätzlich gibt es drei goldene
Sorten: Gold, Sungold und Charm.
Als erstes müsst ihr es euch als
riesige Halle vorstellen, darin befinden sich verschiedene Stationen, die von
den Kiwis durchlaufen werden. Als erstes werden sie im sogenannten „Bin-Tip“
aus den großen Holzkisten auf ein Fließband gekippt. Von dort fahren sie als
erstes zu den „Gradern“. Diese sortieren die Kiwis aus, die nicht den
Ansprüchen an eine Klasse 1-Export-Kiwi genügen. Es gibt eine lange Liste an
Mängeln, die dazu führen, dass eine Kiwi nicht mehr exportiert werden kann.
Dazu darf euch Tanja später mehr erzählen ;)
Packhaus |
Stechuhr - immer schön ein- und ausswipen ;) |
Pack-Tisch |
Nach dem Sortieren werden die Früchte
in zwei Richtungen weiter geschickt. Entweder sie sind Klasse 1, dann werden
sie über ein weiteres Fließband zu den Packern geschickt. Dort fallen sie nach
Gewicht auf die Packtische, wo sie in verschiedene Boxen verpackt werden.
Die
aussortierten Kiwis fahren in die andere Richtung, gelangen zur sogenannten
„Reject Analysis“, d.h. Ausschuss-Analyse. Das ist Tanjas Arbeitsplatz. Hier
wird noch einmal kontrolliert, ob die Kiwis richtig aussortiert wurden und aus
welchen Gründen dies passiert ist. Danach passieren sie die Class 2-Grader, die
den letzten Blick auf die Früchte werfen. Hier werden verrottete, vergammelte
Früchte aussortiert und in den Müll befördert. Der Rest geht direkt zu mir – zu
Class 2.
Pack-Tische für Class 1-Kiwis |
"Kiwi-Rutsche" |
Kiwis auf dem Weg zu den Packtischen |
...auf dem Fließband... |
Kiwi-Boxen für grüne Kiwis ;) |
Class 2 bedeutet soviel wie
Klasse 2 und somit die Früchte, die nicht in alle Welt exportiert werden
können, sondern nur in Neuseeland oder eventuell Australien verkauft werden.
Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass damit kein Geld verdient werden kann,
der große Gewinn liegt im Export, weshalb es immer wieder hieß „Ist ja nur
Class 2“. Gepackt müssen sie aber trotzdem werden und je nach Grower (=
Kiwi-Bauer) variierte die Qualität der Kiwis natürlich stark und somit auch die
Anzahl der Früchte, die aussortiert und an meiner Class 2 Maschine gepackt werden
mussten.
Bei der Arbeit - ein ruhiger Moment ;) |
Manchmal passiert nicht viel, ich
komme gut allein zurecht, auch wenn Labels und Palettenkarten gedruckt, alle
Kiwis gepackt und die Boxen auf die Paletten gestapelt werden müssen. Nebenher
müssen neue Boxen organisiert und vorbereitet werden. Mehr als genug zu tun für
eine Person also, oft könnte man locker vier Personen dort beschäftigen.
Von einer Sekunde auf die andere
kann sich das Tempo nämlich von langsam zu schnell ändern und dann bist du
mittendrin in der Scheiße – entschuldigt meine Ausdrucksweise :) – aber anders
kann mans kaum beschreiben. Die Kiwis schießen aus allen Bändern, die Boxen
laufen über und allein ist kein Hinterherkommen mehr. Leider wurde Class 2 eben
als nicht so wichtig erachtet und auf Hilfe konnte ich somit nicht immer
hoffen. Anfangs hat mich das schon gestresst, inzwischen bin ich ja sozusagen
ein alter stressresistenter Hase und es interessiert mich nicht mehr wie viele
Bänder überlaufen. Bei schlechten Früchten ist es einfach unmöglich den Laden
alleine zu schmeißen… Tanja meint ja, ich hätte von Anfang an öfter mal ein
bisschen langsamer sein sollen, dann wäre ihnen vielleicht schneller
aufgefallen, dass Hilfe nötig ist. Ich bin aber gerannt wie ein Idiot um alles
selbst erledigen zu können.
Boxen an der Class 2-Maschine |
Tanjas Job lief da um einiges
entspannter, aber auch langweiliger, ab. Eigentlich könnte man behaupten, dass
ihre Aufgabe eine der einzigen beinahe stressfreien ist. Ich lass sie das mal
selbst erklären.
Tanjas Arbeitsplatz in einem sehr ruhigen Moment :) |
Mein Job ist die sogenannte
Reject Analysis, wie Manu ja schon geschrieben hat. Mein Arbeitsplatz befindet sich
leider im letzten Eckchen des Packhauses. Ganz hinten und ganz allein. Ihr
könnt euch vorstellen, wie schlimm es hin uns wieder für mich ist mich nicht
unterhalten zu können.
Niemand der mit mir redet ;) Ich
singe... vielleicht besser als mit mir selbst zu reden. Zum Glück hört mich
dahinten ja auch niemand. Außerdem ist es angeblich der einzige Platz im ganzen
Packhaus der von den Kameras nicht eingesehen werden kann ;) Es gibt
dementsprechend auch keine Fotos von mir bei der Arbeit. Ich glaube, zu Beginn
der Saison wussten die wenigsten Menschen im Packhaus, dass es mich und meinen
Job überhaupt gibt. Die Besucherrate war also auch nicht all zu hoch ;)
Ich kontrolliere zum einen die
Grader, ob diese die richtigen Grading-Standards anwenden, d.h. ob sie genau
das aussortieren, was aussortiert werden muss. Finde ich also gute, Class 1,
Früchte auf meinem Band muss ich herausfinden wo diese herkommen und den
Grading-Supervisor (Aufsichtsperson) darüber informieren. Eine weitere Aufgabe
ist das Kontrollieren des sogenannten „Undersize-Belts“… hier werden durch die
Maschine automatisch die Kiwis aussortiert, die zu klein zum Packen sind.
Regelmäßig muss also gewogen werden, ob das Gewicht immer noch im richtigen
Bereich liegt. Sind zu große Kiwis dabei, ist das schlecht, da dieses Fließband
direkt und ohne weitere Kontrolle in den Müll läuft. Unterlaufen hier Fehler,
können dem Grower (Kiwi-Bauer) große Verluste entstehen. Sollte dies vorkommen,
was öfter der Fall war, muss sofort der zuständige „Machine-Operator“
(Maschinenführer) informiert werden. Ebenso, sollten Kiwis auftauchen die
frische Löcher oder Schnitte aufweisen, die durch die Maschine verursacht
wurden.
Zusätzlich überprüfe ich aus
welchen Gründen die Kiwis aussortiert wurden. Dazu nehme ich stündlich mehrere
Stichproben und sortiere sie anhand einer Liste. Diese umfasst 35 Gründe, aus
denen eine Kiwi keine Export-Kiwi mehr sein darf. Ich sage euch, es ist
wirklich schwierig eine perfekte Kiwi zu sein. Die Ergebnisse packe ich in den
Computer und erstelle daraus Graphiken, sowie einen Schicht-Bericht. Dies soll
den Growern helfen im nächsten Jahr ihren Kiwi-Anbau zu optimieren und Mängel
an den Kiwis zu vermeiden. Hier eine Reihe von Beispielen wie sie nicht
aussehen dürfen ;)
Niedliche kleine Knubbel sind unerwünscht |
Und zwei niedliche kleine Knubbel natürlich erst recht ;) |
Unförmig... auch genannt quadratisch ist auch nicht gern gesehen |
Auch der Streifenlook ist nicht im Export-Trend |
Po-Form fällt auch unter die Kategorie "Class 2" |
Natürlich werden auch noch jede
Menge andere Aufgaben nötig bis so eine Palette Kiwis nach Übersee verschifft
werden kann. Es gibt noch das sogenannte „Tray Prep“, dort werden die Boxen für
das Packen vorbereitet. Meistens geht es dort ziemlich flott zu und man ist
eigentlich immer im Stress.
Tray Prep Bereich |
Annett beim Tray Prep |
Des weiteren gibt es viele
Mitarbeiter im QC – Quality Control, die sich durch ständige Tests und Checks
darum kümmern, dass alle Früchte den Qualitätsstandards entsprechen.
Mechaniker, Maschinenführer, Gabelstaplerfahrer, undundund…
Manu, Sabine und Richard bei der ?Arbeit? :D |
Besprechung vor Schichtbeginn |
Wir könnten noch stundenlang über
die Abläufe im Packhaus erzählen, das würde aber vermutlich komplett den Rahmen
sprengen, da man sich das natürlich auch schlecht vorstellen kann, ohne jemals
zuvor ein Packhaus von innen gesehen zu haben. Hoffentlich konnten wir euch
trotzdem einen kleinen Einblick vermitteln.
Insgesamt passieren die
lustigsten Geschichte aber vermutlich neben dem normalen Packhaus-Alltag.
Mehrere Male bekam ich Besuch von
einem niedlichen kleinen Opossum. Dieses ist in einem Packhaus in dem mit Lebensmitteln
hantiert wird und Hygiene extrem wichtig ist, natürlich nicht gerne gesehen. Es
saß grade mal einen Meter weg von mir auf der Treppe und hat mich angeschaut,
bevor Karl mit einem Besen kam und versucht hat es zu erschlagen :( Leider war
es nicht möglich ein Foto zu machen, dafür war es dann doch zu flink. Außerdem
hat man beim Arbeiten ja auch nicht immer die Kamera parat. Ich habe es in
dieser einen Nacht mehrmals gesehen, aber auch danach muss es mir immer wieder
einen Besuch abgestattet haben. Deutlich erkennbar an den Hinterlassenschaften.
Ich hab doch noch versucht es vor dem Besen zu retten und dafür kackt es mir
auf meinen Schreibtisch – das ist wahre Dankbarkeit :D
Zwei Nächte lang war es richtig
kalt und hatte mit Temperaturen unter Null sogar Frost. Damit die Kiwis nicht
erfrieren wird einfach ein Hubschrauber gemietet, der die ganze Nacht über die
Pflanzen fliegt und diese mit warmer Luft bepustet ;) was es nicht alles gibt.
Anti-Frost-Helikopter |
Einmal musste das gesamte
Packhaus gestoppt werden, weil jemand ein Messer verloren hatte und dieses von
oben in die Maschine gefallen war.
Solche und andere Vorfälle machen
den Arbeitsalltag, der ansonsten immer der gleiche ist, wesentlicher
interessanter und spaßiger und sorgen für Abwechslung.
Die Nachtschicht war super für
uns. Wir hatten ja beide vorher noch nie Nachtschicht gearbeitet und waren
gespannt, wie das mit der Anpassung so funktionieren würde. Die Schicht ging
von 17.55 Uhr bis 3.30 Uhr. Bis wir im Bett waren war es aber meistens auch
schon zwischen 5.00 und 7.00 Uhr morgens, dafür standen wir erst gegen 13.00
oder 14.00 Uhr wieder auf.
Inzwischen war unsere
Backpacker-Truppe von anfänglich 7 Leuten auf fast 30 angestiegen. Wir wohnten
an drei Orten. Hier, direkt am Packhaus, in Kingseat in einem stillgelegten
Krankenhaus und in Waiuku auf einem Campingplatz.
So kamen in der zweiten
Nachtschicht-Woche auch Annett und Christian zum Arbeiten zu uns ins Packhaus,
da sie aufgrund des schlechten Wetters in Tauranga längere Zeit nicht arbeiten
konnten. Zusammen mit ihnen und Vicky und Richard, die etwas später in der Nachtschicht angefangen hatten, verbrachten wir die meiste Zeit.
Manu mit Simon - unserem Nachtschicht-Chef |
Nach 7 Wochen endete die
Nachtschicht mit einer kleinen Party und einem gemeinsamen Essen.
Aus Tag- und Nachtschicht wurden
die angeblich besten Mitarbeiter ausgewählt und eine neue Tagschicht gebildet.
Teil dieser sind natürlich auch wir – ich hoffe, es ist jetzt keiner
überrascht, natürlich gehören wir zu den besten! ;)
Die Nachtschicht hat uns aber
deutlich besser gefallen. Die Kollegen waren super und das Arbeitsklima
deutlich entspannter, was größtenteils vermutlich an Simon, unserem
Nachtschicht-Manager lag, der immer alles unter Kontrolle hatte. Locker und
ohne Stress. So haben alle gut zusammen gearbeitet, was die Nächte wirklich angenehm machte. Wir sind ein bunter Haufen aus Neuseeländern, Maoris, Backpackern (Deutschland, Frankreich, Tschechien, Argentinien etc.) und Islandern aus der Südsee. Diese kommen größtenteils aus Vanuatu, Tonga oder Samoa.
Jackson (Vanuatu) und Richard (Deutschland) |
Nach der letzten Nachtschicht |
Jakub und Martina |
Nach der letzten Nachtschicht |
Seitdem es die neue Tagschicht
gibt wird nur noch fünf Tage die Woche gearbeitet. Manchmal war es doch etwas
ärgerlich, in letzter Zeit ging öfter die Arbeit quasi komplett aus. Teils weil
Früchte noch nicht reif genug zum Packen waren oder die Maschine einfach
beschlossen hatte, nicht mehr funktionieren zu wollen.
Deshalb bekamen wir
andere mehr oder weniger spaßige Aufgaben. Die Jungs durften sich meistens mit
Hi-Cubing beschäftigen, d.h. die Paletten noch um zwei Boxenreihen höher machen
oder aus mehreren Paletten eine machen, um Platz im Kühlhaus zu schaffen. Die
Mädels hatten entweder frei, was uns gar nicht passte, oder durften putzen,
Sticker von der Maschine abfummeln oder „repacken“. Manche bereits gepackten
Boxen müssen nochmals geöffnet und umgepackt werden, wenn sie länger im
Kühlhaus gelagert wurden. Drei Tage verbrachten wir auch damit Vliesmatten um
kleine Blaubeerpflanzen zu legen, damit kein Unkraut mehr wachsen kann. Alles in
allem also eher unspektakuläre Arbeiten, aber egal. Hauptsache Arbeit! ;)
Außen- und Raucherbereich |
Insgesamt haben wir es richtig
gut getroffen mit diesem Job. Wir konnten jede Menge Geld sparen und hatten die
meiste Zeit auch Spaß und haben viele neue, tolle Menschen kennengelernt.
Jetzt haben wir noch genau eine
Woche Arbeit vor uns, bevor es eeeendlich weiter geht. Darauf freuen wir uns
sehr. Irgendwann reichts ja auch wirklich wieder mit den Kiwis.
So viel mal zum Arbeiten.
Natürlich haben wir aber auch immer versucht in unserer Freizeit wenigstens ein
bisschen was zu unternehmen. Außerdem bedeutet das Zusammenleben mit so vielen
Menschen automatisch auch jede Menge Spaß und Partys. Einen Grund zum Feiern
findet man ja schließlich immer. Dazu aber mehr im nächsten Bericht.
Danke an Richard, Vicky und Annett für eure Fotos. ;)
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