Samstag, 15. November 2014

Kambodscha – tolles Land, traurige Geschichte



Die Visumsformalitäten am Flughafen waren schnell erledigt und schon hatten wir das „Visa on Arrival“ in unseren Reisepässen. Stempel drauf, Gepäck geholt und raus hier. Kambodscha empfing uns mit Hitze. Obwohl es bereits später Nachmittag war hatte es sicher noch um die 34°C. Michl, dessen Flug zwei Stunden vor unserem angekommen war, wartete schon auf uns.

Standesgemäß fuhren wir mit unserem ersten TukTuk in die Stadt zu unserer Unterkunft. Diese TukTuks sehen zwar etwas anders aus wie die, die man aus Thailand kennt, sind aber nicht weniger praktisch. Viel billiger als Taxis, kleiner, wendiger und dadurch im chaotischen Stadtverkehr oft auch schneller, sind sie die ideale Alternative.

Im kambodschanischen TukTuk
Für die nächsten Tage hatten wir bereits einen groben Plan an Sehenwürdigkeiten, die wir besuchen wollten. Alles Weitere würde sich schon ergeben.

Schon am nächsten Tag starteten wir unsere erste Erkundungstour. Wir verhandelten einen Tagespreis mit einem TukTuk-Fahrer namens Mali, mit dem wir auch die nächsten Tage noch unterwegs sein würden und schon ging es los zu den ersten beiden Zielen: das S 21 Genozid-Gefängnis und –museum und Choeung Ek, eines der sogenannten Killing Fields, das ein gutes Stück außerhalb des Stadtzentrums von Phnom Penh liegt. So hatten wir quasi auf dem Weg dorthin schon eine erste „Stadtrundfahrt“. Es war faszinierend, teilweise aber auch ein bisschen schockierend zu sehen wie die Menschen dort leben und wie viel Müll herumliegt.


In einer Stadt wie Phnom Penh gibt es alles, von wahren Prachtbauten bis hin zu Holz- oder Wellblechverschlägen, die man schwer als Hütten bezeichnen kann. Von den Slums dieser Art hält man sich aber im Dunkeln am besten fern, wurden wir informiert. Kinder spielen auf der Straße, Straßenstände und –verkäufer überall, ebenso wie die obligatorischen Roller. Erstaunlich war, wie viele teure Autos auf den Straßen zu sehen sind. Schon am ersten richtigen Tag in Kambodscha wurde uns hiermit in Ansätzen die Schere zwischen arm und reich bewusst, die in diesem Land und speziell in der Hauptstadt herrscht. Besonders auffällig ist auch die interessante Kabelverlegung. Seht selbst! ;)



TukTuk


Wir wissen natürlich nicht, wie viel ihr alle über die Geschichte Kambodschas wisst, wir wuss­ten eindeutig zu wenig. In manchen Punkten sind sogar Parallelen zur deutschen Ge­schich­te erkennbar. Deshalb hier der Versuch einer kurzen Zusammenfassung nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne komplette Garantie auf Richtigkeit.
Zwischen 1975 und 1979, also noch gar nicht lange her, war das Regime der „Roten Khmer“ unter Pol Pot an der Macht. Pol Pot hatte, ermöglicht durch ein Stipendium, in Frankreich studiert und war bereits in jungen Jahren Anhänger kommunistischer Ideen. Verantwortlich für die Armut in Kambodscha war für ihn der Unterschied zwischen Stadt und Land. Das ländliche empfand er als positiv, während das städtische für ihn als das negative Gegenstück galt. Ziel seines Regimes war die Vormachtstellung des Bauernvolkes.
Innerhalb weniger Tage nach Einmarsch seiner Truppen waren Phnom Penh und viele andere Städte menschenleer. Die Einwohner wurden gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Schon bei dieser Vertreibung starben viele Kinder und ältere Menschen.

Gebäude des S 21 Tuol Sleng Gefängnis, das vor dem Roten Khmer-Regime eine Schule war
In dieser Zeit starben insgesamt mehr als 3 Millionen Menschen. Unfassbar, bei einer damaligen Bevölkerungszahl von nur knapp über 8 Millionen. Pol Pot ließ das eigene Volk töten und grausam hinrichten. Sterben musste wer nicht zum einfachen Bauernvolk gehörte, also jeder der gebildet war, da die Roten Khmer in diesen Bevölkerungsgruppen Feinde des Regimes sah. Professoren, Lehrer, Studierte, Ärzte, ebenso wie Anwälte oder Musiker… es reichte aber auch schon lesen zu können, eine Fremdsprache zu sprechen oder eine Brille zu tragen. Wer eines dieser Kriterien erfüllte wurde verhaftet, verhört und letztendlich getötet.

Eine der großen Zellen im Tuol Sleng Gefängnis

Inhaftierte kamen in das „Tuol Sleng S21 Gefängnis“, das heute besichtigt werden kann und inzwischen ein Museum und eine Gedenkstätte beherbergt.
Dort wurden die Menschen eingesperrt, verhört und stundenlang gefoltert. Meist wurde die gesamte Familie inhaftiert, um spätere Racheakte vermeiden zu können. Je nach Trakt befinden sich in manchen Zellen Betten, in anderen Räumen wurden Mauern hochgezogen, um weitere winzige Zellen zu schaffen. Dort war gerade einmal Platz zum Sitzen.


Eine der kleinen Zellen
Draußen im Hof zeigt eine Tafel, welche genauen Vorschriften durch die Roten Khmer eingehalten werden mussten. Selbst genaue Folterabläufe und Verhöre wurden aufgezeichnet und sind in einem Raum ausgestellt, zusammen mit Bildern zu den jeweiligen Foltermethoden.

Genaue Vorschriften und zugehörige Strafen
Folterinstrument - der Galgen und wassergefüllte Töpfe darunter
Wände voller Fotos zeigen, wer im S 21 Gefängnis ums Leben kam. Unzählige Kinder sind darunter.
Wir gingen durch die Räume, die größtenteils noch genauso sind wie sie verlassen wurden. Es reihten sich Gang an Gang, Zelle an Zelle und es war ganz still. Jeder war irgendwie mit seinen Gedanken alleine und mit jedem Schritt stieg das beklemmende Gefühl.





Wer den Horror im Gefängnis überlebt hat, wurde nachts auf die Killing Fields gefahren und dort umgebracht.
Das Schild kennzeichnet die Stelle, an der die Opfer angeliefert wurden
Die Killing Fields sind ein absolutes Muss für jeden, der Kambodscha besucht. Es gibt über 300 davon im ganzen Land, das in Phnom Penh ist aber eines der größten und meistbesuchten. Nur durch einen aufmerksamen Besuch dort lässt sich wirklich ein Einblick in die schreck­liche und bewegende Geschichte des Landes gewinnen.

Wir bezahlten den Eintritt und bekamen einen Audio Guide, der sich auch auf Deutsch einstellen ließ und starteten den Rundgang. Der Erzähler/Vorleser hatte eine unheimlich mitreißende Art das Geschehene zu vermitteln. Ab hier ging jeder seiner eigenen Wege. Die Reihenfolge war vorgegeben, man konnte sich so viele Kapitel anhören wie man wollte. Wir hörten sie uns alle an.


Ausgehobenes Massengrab
Getötet wurde hauptsächlich nachts. Die Schreie wurden übertönt vom Knattern der Dieselgeneratoren und von lauter Musik. Zur Hinrichtung wurde keine Munition benutzt, da diese zu teuer war und gespart werden sollte. Deshalb nahmen die Roten Khmer Äxte, Messer, Hammer oder andere Werkzeuge. Viele Menschen waren noch nicht tot, als sie bereits in die Massengräber gestoßen wurden.
Der Gipfel der Grausamkeit ist der sogenannte „Killing Tree“. Dort wurden Babys und Kinder getötet, indem man sie an den Füßen packte und mit dem Kopf gegen den Baumstamm schlug bis sie tot waren.


All das und noch viel mehr bewegende Geschichten und Schicksale, manche davon von Zeitzeugen, bekamen wir über die Kopfhörer des Audio Guides zu hören, während wir langsam von Station zu Station über die Killing Fields liefen.


Wir sahen mit Gras bewachsene Mulden im Boden, die einst bis zum Rand gefüllte Massengräber waren und teilweise noch sind. Bei Regen werden auch heute noch regelmäßig Knochenreste hochgespült.




Die letzte Station des Rundgangs ist eine schöne Gedenkstupa, an der jedes Jahr eine Zeremonie gegen das Vergessen stattfindet. Sie ist ein Mahnmal und eine Gedenkstätte zu Ehren all derer, die dort grausam hingerichtet wurden.

Gedenkstupa
Gedenkstupa
Die Stupa besitzt sieben Ebenen und ist gefüllt mit Schädeln, die in den Massengräbern gefunden wurden. Die Ebenen sind beschriftet. Bunte Punkte darauf geben Auskunft über Geschlecht und Alter des Opfers, sowie das Hinrichtungswerkzeug und die Art des Todes. Man kann diesen Gedenkort betreten, sollte aber gewisse Regeln beachten, wie z.B. Schuhe ausziehen, nicht lachen, niemals Gegenstände berühren oder vorgegebene Wege verlassen.

Unfassbarer Anblick

Heute ist die Stupa voll. Es werden deshalb auch keine weiteren Massengräber mehr aus­gehoben oder Knochenreste freigelegt. Die Gräber bleiben verschlossen und den Opfern wird die letzte Ruhe gewährt.


Bunte Punkte auf den Schädeln geben Auskunft über die Art des Todes

Um einen herum fliegen Schmetterlinge, es ist still und absolut friedlich – schwer vorstellbar welche Grausamkeiten hier stattgefunden haben. Genau dieses surreale daran, dieser Ort, der heute so komplett anders wirkt, lässt einen selbst nachdenklich werden. Eine absolut bewegende Erfahrung, die sich schwer in die richtigen Worte fassen lässt und einen manchmal beinahe zu Tränen rührt. Darüber zu lesen ist eine Sache, selbst an diesem Ort zu stehen, eine ganz andere. Wir wussten, dass Kambodschas Geschichte eine schreckliche ist, aber darauf waren wir nicht vorbereitet.

Die bunten Bändchen gab es an vielen Stellen - als Zeichen des Respekts und gegen das Vergessen!
Auf dem Rückweg hing jeder seinen Gedanken nach. Wir waren froh, uns genauer mit der Geschichte Kambodschas auseinander gesetzt zu haben. Die Besichtigungen, die wir für den nächsten Tag geplant hatten, würden sicher fröhlicher werden, aber auch weniger intensiv und einprägsam.

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